Vor dem Mietvertrag ist nach dem Fragebogen: Wer eine neue Wohnung anmieten möchte, muss in der Regel erstmal bereitwillig Auskunft über sich selbst geben. Doch Vermieter und Hausverwaltungen dürfen längst nicht alles erfragen – und Mietinteressenten müssen auch nicht alles wahrheitsgemäß beantworten.
Mehrere Monate lang war Anna Bach* auf Wohnungssuche, hat sich auf diverse Angebote beworben und musste dabei immer wieder mehr von sich preisgeben, als ihr lieb war. „Die Fragen waren teilweise sehr persönlich, aber was soll man machen, wenn man eine Wohnung unbedingt haben will?“
Mietinteressenten tun grundsätzlich gut daran, Selbstauskunfts-Fragebögen komplett auszufüllen. Ansonsten machen sie sich verdächtig und verspielen womöglich von vornherein ihre Chance auf eine Wohnung. Allerdings müssen nicht alle Antworten der Wahrheit entsprechen, sondern nur die, an denen der Vermieter berechtigterweise interessiert sein darf, da sie für den Abschluss oder die Erfüllung des Mietvertrages von Bedeutung sind. Bach sollte zum Beispiel Auskunft darüber geben, welche Art von Musik sie hört, ob sie Mitglied in einer Mieterorganisation ist und wie oft sie in den letzten Jahren umgezogen ist. Das hat für den Vermieter keine Rolle zu spielen. Doch in erster Linie sei es immer um ihre finanziellen Verhältnisse gegangen, sagt die Wohnungsbewerberin: Um Einkommen, Dauer des Arbeitsverhältnisses, mögliche Schulden.
„Fragen nach den Einkommensverhältnissen und der beruflichen Stellung sind grundsätzlich zulässig, da sie dem Vermieter Rückschlüsse auf die Bonität des Mieters ermöglichen“, sagt Juliane Heinrich, Sprecherin des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI). „Es muss aber im Einzelfall geprüft werden, ob Mietinteressenten dem Vermieter ihre komplette Finanzlage darlegen müssen“, ergänzt Norbert Eisenschmid, Justiziar des Deutschen Mieterbundes (DMB). Fragen nach dem Einkommen von Angehörigen des Mieters sowie detaillierte Fragen zu Vermögensverhältnissen sind unzulässig. Auch die Tatsache, dass man Teilzahlungskredite in Anspruch nimmt oder Wohngeld bezieht, geht den Vermieter nichts an. „Erlaubt ist dagegen die Frage, ob man eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hat“, so Eisenschmid.
Mehr als eine Bonitätsauskunft?
In der Regel verlangen Vermieter zudem eine Bonitätsauskunft von der Schufa oder einer anderen Auskunftei. „Die Bonität des Mieters ist für den Vermieter von wesentlicher Bedeutung für das Entstehen und den Fortbestand des Mietverhältnisses, da sie die Hauptleistungspflicht des Mieters zur Entrichtung des Mietzinses betrifft“, so Heinrich. Deshalb sei auch die Aufforderung, eine Bonitätsauskunft einholen zu dürfen, zulässig.
Seit dem 1. April 2010 können Mieter einmal im Jahr kostenlos eine Selbstauskunft einholen, die allerdings sehr viel umfangreicher ist als die vom Vermieter angeforderte Bonitätsauskunft. „Gibt man diese Selbstauskunft weiter, erhält der Vermieter eine Fülle von Daten, die eigentlich nur für den Betroffenen selbst gedacht sind und deren Kenntnis für den Abschluss des Mietvertrages nicht erforderlich ist“, gibt Eisenschmid zu bedenken. Hinsichtlich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sei bedenklich, wenn der Mietinteressent zur Offenlegung dieser Selbstauskunft verpflichtet werde – verweigere man aber dieses Ansinnen, brauche man sich im Grunde keine Hoffnung mehr auf die Wohnung zu machen.
Bonitätsauskünfte über Mietinteressenten seien an bestimmte Anforderungen geknüpft und nicht unbegrenzt zulässig, betont auch Heinrich. So dürfen Auskunfteien an die Vermieter nur Bonitätsdaten übermitteln, die eindeutige Rückschlüsse auf Mietausfallrisiken zulassen. Dies können Daten aus öffentlichen Schuldner- und Insolvenzverzeichnissen oder sonstige Angaben über negatives Zahlungsverhalten sein, bei denen eine Bagatellgrenze von 1500 Euro aber überschritten sein muss.
Erlaubt sind auch Vermieterfragen nach Bestand und Dauer des Arbeitsverhältnisses, ebenso nach der Anzahl der Personen, die in die Wohnung einziehen wollen. „Darüber hinaus muss dem Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Information zugestanden werden, ob ein Paar verheiratet ist, in welchem Umfang der Mieter Familienangehörige in die Wohnung mitbringt und ob Haustiere vorhanden sind“, so Eisenschmid. Zulässig sind auch Fragen nach der Identität des Mietinteressenten, also nach Name, Anschrift, Telefonnummer und nach dem Alter.
Persönliche Vorlieben gehen Vermieter nichts an
Dagegen hat es einen Vermieter nicht zu interessieren, welche politische Einstellung sein potenzieller Mieter hat, ob er Mitglied in Vereinen oder einer Mieterschutzorganisation ist, und wie es mit der Familienplanung aussieht. „Auch die Fragen, ob der Mieter schon einmal eine Wohnung angemietet hat oder welchen Grund oder Anlass es für den Wohnungswechsel gibt, müssen von einem Mieter nicht beantwortet werden“, so Eisenschmid. Das gelte auch für mögliche Vorstrafen: „Das Interesse des Vermieters muss hier wegen des mit der Auskunft verbundenen Stigmatisierungseffekts gegenüber den schutzwürdigen Belangen des Mieters zurücktreten.“
Problematisch ist auch die häufig verlangte „Mietschuldenfreiheitsbescheinigung“ des Vorvermieters. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes haben Mieter gegenüber dem früheren Vermieter keinen Anspruch auf eine solche Bescheinigung (BGH vom 30. September 2009 – VIII ZR 238/08). „Schon aus diesem Grund kann einem Mieter nicht zugemutet werden, sie bei der Neuanmietung vorzulegen“, sagt Eisenschmid. Darüber hinaus seien diese Daten schon deshalb unzulässig, da sich aus ihnen nicht der Grund für die angeblich ausstehenden Forderungen ergebe, der zum Beispiel in einer zulässigen Mietminderung liegen könne.
Kristina Simons
* Name von der Redaktion geändert
Lesen Sie auch zum Thema "Mietschuldenfreiheitsbescheinigung":
- Mietschuldenfreiheitsbescheinigung: Trend zum Persilschein
- BGH-Urteil - Kein Anspruch auf Mietschuldenfreiheitsbescheinigung
- BGH-Leitentscheidung v. v. 30.9.2009 – VIII ZR 238/08 - Mietschuldenfreiheitsbescheinigung
- Mietrechtstipp: Kein Anrecht auf Mietschuldenfreiheitsbescheinigung
- Mietrechtstipp: Kontoauszüge statt Mietschuldenfreiheitsbescheinigung
Das könnte Sie auch interessieren:
- Schufa-Auskunft bei ImmobilienScout24: Halbe Leistung zum vollen Preis
- Schufa-WebCode: Schnelligkeit, die ihren Preis hat
- Schufa & Co: Höhere Anforderungen an Auskunftsgeber
- Schufa-Bonitätsauskunft: Was erfährt man von der Schufa?
- Datenschutz: Einsicht mit Grenzen
- Selbstauskunft bei Wohnungsanmietung: Grenzenlose Neugier
- Selbstauskunft bei der Wohnungssuche: Wie weit muss die Hose runter?
- Was Sie dem Vermieter preisgeben müssen und was nicht: Daten unter Schutz
- Mietschuldenfreiheitsbescheinigung: Trend zum Persilschein
- BMV-Info 3: Wohnungssuche in Berlin -
20 wichtige Tipps zu Wohnungssuche und Mietvertragsabschluss - BMV-Info 4: Wohnungsmakler und Bestellerprinzip
- In 4 Schritten zur eigenen Wohnung
- Die neue Wohnung: Miete erträglich, Vermieter verträglich?
- Auskunftsdienste: Mieter am Online-Pranger
- Auskunfteien: Fehlerquote immens
MieterMagazin 9/10
Zum Thema
Das Bundesdatenschutzgesetz
Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung von Vermietern oder Hausverwaltungen ist § 28 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Seit der im September 2009 in Kraft getretenen BDSG-Novelle dürfen personenbezogene Daten zu eigenen Zwecken nur dann erhoben und verarbeitet werden, wenn sie für die Begründung, Durchführung oder Beendigung des rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisses erforderlich sind. Außerdem müssen mögliche schutzwürdige Interessen des Mieters berücksichtigt werden und die Daten allgemein zugänglich oder veröffentlicht sein.
ks
dazu auch:
- Datenschutzgrundverordnung:
Schutz erweitert, Sanktionen verschärft - Wie unsere Privatsphäre angegriffen wird:
Die große Neugier
Zum Thema
Falsche Frage – richtige Antwort
Nach Ansicht des Deutschen Mieterbundes können Mietinteressenten unzulässige Fragen so beantworten, wie sie wollen, ohne negative Folgen befürchten zu müssen. Dafür sollten sie sich überlegen, welche Antworten für sie selbst am günstigsten sind. Auf die Frage, wie oft man Besuch erhalte, könne man zum Beispiel antworten: „Selten, ich bin ein ruhiger Mieter“. Bei der Frage nach der bevorzugten Musikrichtung ist „Klassik“ eine vorteilhaftere Antwort als „Heavy Metal“. Wer allerdings zulässige Fragen wissentlich falsch beantwortet, muss damit rechnen, dass der Vermieter den Mietvertrag anficht oder kündigt. Die einschlägige Rechtsprechung ist sich darin einig, dass ein Vermieter das Mietverhältnis zum Beispiel dann kündigen kann, wenn der Mieter ein überhöhtes Einkommen angegeben hat und dann in Mietzahlungsschwierigkeiten gerät.
ks
14.12.2018