Die ehemalige Haftanstalt an der Rummelsburger Bucht gegenüber der Halbinsel Stralau wird gerade in eine edle Wohnsiedlung umgebaut: den „Berlin Campus“. Die Gefängnismauern wurden ab- und die Zellenwände herausgerissen. In die langen Flure wurden Wohnungswände eingezogen. Von Gefängnisatmosphäre wird hier bald nicht mehr viel zu spüren sein.
Die Mieter, die vor kurzem in die Häuser 1 und 2 der ehemaligen Haftanstalt Rummelsburg eingezogen sind, müssen einiges ertragen. Vor ihrer Nase wird gebohrt und gehämmert, werden Wände herausgerissen und Fassaden gereinigt, der Boden geplättet und gepflasterte Wege angelegt.
Die beiden Häuser gehören zum ersten von insgesamt vier Bauabschnitten des neuen „Berlin Campus“, wie das ehemalige Gefängnisgelände nun heißt. Es sind die einzigen Gebäude, die weniger als ein Jahr nach Beginn der Bauarbeiten bereits fertig und bezogen sind. Hier kann man sehen, wie die anderen Gebäude einmal aussehen werden: Die Backsteinfassaden wurden mit Sandstrahlgebläsen gereinigt und zum Teil ausgebessert, große Balkone, die sich über die gesamte Länge ziehen, beziehungsweise Terrassen angebaut. Die Wohnungen im Hochparterre haben einen Vorgarten, den man zurzeit allerdings nur erahnen kann. Die gefängnistypischen hohen Fenster wurden nach unten erweitert, die alten Treppenhäuser mit Granitstufen um neue Holztreppenhäuser ergänzt. Die Hauseingangsbereiche und die Wohnungstüren wurden ebenso wie die Elektroinstallationen, die sanitären Anlagen und die Heizung komplett erneuert. Einige Gebäude werden wie Haus 1 und 2 im Mittelteil um eine Etage aufgestockt. Nur die Kellergänge lassen heute noch erahnen, dass es sich hier mal um eine Haftanstalt gehandelt hat: lange Flure, von denen auf beiden Seiten zellenartig die Türen abgehen.
„Wenn alles nach Plan läuft, sind wir Ende September mit den Häusern 4 und 5 fertig“, sagt Bauleiterin Katja Hippler. Dann können hier im Oktober die ersten Mieter einziehen. Ende des Jahres sollen dann auch die Häuser 3 und 6 fertig sein. Im Zentrum der denkmalgeschützten Gebäude in traditioneller preußischer Backsteinarchitektur steht ein alter Wasserturm. Auch der wird komplett saniert. Wer oder was dort einzieht, steht noch nicht fest.
Neues Leben nach 17 Jahren Leerstand
Fast 17 Jahre stand die ehemalige Haftanstalt leer. Als sich Berlin im Jahr 2000 um die Olympischen Spiele bewarb, war das 28000 Quadratmeter große Areal als Olympisches Dorf vorgesehen. Doch daraus wurde bekanntlich nichts. Anfang 2007 kaufte die „Maruhn Immobilien GmbH & Co. Berlin Campus KG“ von der landeseigenen Wasserstadt GmbH einen Großteil der Gebäude. Rund 40 Millionen Euro kostet sie der Kauf und der Umbau der Gefängnisgebäude sowie die Errichtung mehrerer Neubauten.
In den sechs Altbauten entstehen insgesamt 143 Wohnungen mit hohen Decken, Parkettfußboden, Balkon und Einbauküche. Zusätzlich werden noch in diesem Jahr zehn Reihenhäuser und vier Eigentumswohnungen gebaut. Die Wohnungsgrößen in den historischen Verwahrhäusern reichen von 45 bis 125 Quadratmeter. „80 Quadratmeter sind die Durchschnittsgröße“, so Hippler. Vier unabhängige Eigentümergemeinschaften haben die Grundstücke mit jeweils 25 bis 50 Wohneinheiten gekauft. „Die gingen alle ganz schnell weg“, sagt eine Mitarbeiterin der Hausverwaltung Pro Immobilia. Fast sämtliche Wohnungen werden weitervermietet. Die Eigentümer, die hier selbst einziehen, kann man an einer Hand abzählen.
Katrin Bratke gehört zu den ersten Mietern des Berlin Campus. Im Februar ist sie mit Mann und Kind eingezogen und nach wie vor ganz begeistert. „Dass das hier mal ein Gefängnis war, merken wir überhaupt nicht“, sagt sie. Die Grundrisse seien so verändert worden, dass nichts mehr an Zellen erinnere. Dort einzuziehen, wo einmal Häftlinge einsaßen, habe sie deshalb überhaupt nicht gestört. 800 Euro warm kostet ihre 86 Quadratmeter große Wohnung. Auch Karsten Lutz ist von dem Projekt, eine Haftanstalt in Wohngebäude umzubauen, an sich sehr angetan. „Im Detail hakt es jedoch.“ Er hatte den Mietvertrag schon unterschrieben, ist dann am Tag der Schlüsselübergabe aber wieder abgesprungen. „Als wir in die Wohnung kamen, waren die Wände nass und auf den Tapeten dunkle Flecken zu sehen“, sagt Lutz. Das sei schon im letzten Oktober bei der Besichtigung des Rohbaus der Fall gewesen. Damals habe die Hausverwaltung ihm zugesagt, dass die Wände bis zum Einzug trocken seien. „Wie in allen neu fertig gestellten Häusern haben wir auch im Berlin Campus eine geringe Restbaufeuchte in einigen Wohnungen“, entgegnet Detlef Maruhn, Geschäftsführer der Maruhn GmbH. Diese werde durch normales Lüftungs- und Heizverhalten während der ersten drei Mietmonate in der Regel beseitigt.
Weite Wege für den Einkauf
Zum Einkaufen müssen die jetzigen Mieter noch einige Wege auf sich nehmen. „Uns wurde gesagt, dass es hier bis Ende März ein Restaurant und Läden gibt“, sagt Lutz. Das wird allerdings erst Ende des Jahres der Fall sein. „Vor dem Wasserturm entsteht bis Dezember 2008 ein Gewerbeneubau mit sechs Geschäftslokalen und im Lazarettgebäude ein Restaurant“, sagt Maruhn. „Von unserer Seite wurde einem Mieter gegenüber nie etwas anderes versprochen.“
Die ehemalige Wäscherei auf dem Gelände hat die Diakonie in Lichtenberg gekauft. Sie wird hier fünf Wohnungen für betreutes Wohnen und einen Kindergarten einrichten. Die Bauarbeiten sind schon in vollem Gange. Außerdem hat der Nachbarschaftsverein „Wir in Rummelsburg“ sich einen Platz im Gefängnis gesichert: Er hat vom Land Berlin den nördlichen Teil des ehemaligen Laza-rettgebäudes gepachtet.
Auch um die ehemalige Haftanstalt herum herrscht seit einiger Zeit ein Bauboom. Townhouses, Reihen- und Atelierhäuser sprießen geradezu aus dem Boden. Das Wohnen in Wassernähe scheint begehrt zu sein. Auf den früheren Brachen sind große Grünflächen, Höfe mit Spielanlagen, Rampen für Skater, Basketballkörbe, Fußballtore und Tischtennisplatten entstanden. Die Straßen und eine lange Uferpromenade wurden neu gestaltet. Doch Einkaufsmöglichkeiten, Kneipen, Kino und Theater finden die Bewohner hier noch nicht.
Kristina Simons
Rummelsburg war Fluchthelfergefängnis
Die Gebäude der ehemaligen Haftanstalt Rummelsburg wurden zwischen 1877 und 1879 nach Plänen des Stadtbaurats Hermann Blankenstein gebaut, allerdings nicht als Gefängnis: In die ein- bis viergeschossigen Gebäude zog das „Städtische Arbeitshaus Rummelsburg“ ein. Es diente als Besserungs- und Erziehungsanstalt sowie als Asyl. Während des Nationalsozialismus wurde die Anlage zum „Städtischen Arbeits- und Bewahrungshaus Berlin-Lichtenberg“ mit Sonderabteilungen für Homosexuelle und „psychisch Abwegige“ umfunktioniert. Die im Krieg beschädigten Gebäude wurden zum Teil wieder aufgebaut und bis 1951 als Arbeitshäuser genutzt.
Zur Haftanstalt für bis zu 1000 Gefangene wurden die Gebäude 1953 umgebaut. Zu DDR-Zeiten saßen hier einige hundert (west-)deutsche Gefangene ein, die unter anderem als Fluchthelfer zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt worden waren und häufig von der bundesrepublikanischen Regierung wieder „freigekauft“ wurden. Die Haftanstalt wurde im Oktober 1990 geschlossen und stand seitdem leer. Wenige Monate vorher, im Januar 1990, saß der entmachtete Partei- und Staatschef Erich Honecker hier vorübergehend in Untersuchungshaft.
ks
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MieterMagazin 6/08
Das alte Rummelsburger Gefängnis: aufpoliert und umgenutzt
alle Fotos: Christian Muhrbeck
An die Vergangenheit erinnert nicht mehr viel
Attraktive Eingangsbereiche: gehobene Ausstattung im ehemaligen Knast
Einbauküchen: gehobene Ausstattung im ehemaligen Knast
Granit und Parkett: gehobene Ausstattung im ehemaligen Knast
21.12.2016