Abfall gibt es, seit es Menschen gibt. Unter sozialen und hygienischen Gesichtspunkten wurde er jedoch erst im 19. Jahrhundert zum Problem, schreibt Jinhee Park in ihrer Dissertation „Von der Müllkippe zur Abfallwirtschaft – Die Entwicklung der Hausmüllentsorgung in Berlin (West) von 1945 bis 1990“. Mit der Industrialisierung und dem raschen Bevölkerungswachstum in Berlin nahmen vor allem Hausmüll und Fäkalien rasant zu. Erste Müllverbrennungsversuche in Berlin in den 1890er Jahren waren wegen des hohen Anteils an Braunkohleasche wenig erfolgreich: Der Müll brannte einfach nicht. Nach der Wende zum 20. Jahrhundert tendierte Berlin verstärkt zu einer Verwertung des Mülls. Die „Charlottenburger Abfuhrgesellschaft“ hatte ein dreiteiliges System eingeführt, das den Hausmüll nach Asche, Küchenabfällen und Gerümpel trennte. 1906 beauftragte der Charlottenburger Magistrat das Unternehmen mit einer flächendeckenden Müllabfuhr. „Die Entscheidung für das Dreiteilungssystem war in doppelter Hinsicht bedeutend, weil damit die Müllverwertung erstmals in Deutschland unter städtischer Regie stattfand und zum anderen ein wichtiger Schritt zur Kommunalisierung der Müllabfuhr gemacht wurde“, schreibt Park. 1917 scheiterte das System jedoch, weil die Berliner den Müll nicht ordentlich trennten und das Charlottenburger Unternehmen finanzielle Schwierigkeiten bekam.
Heute produziert ein Einwohner der Hauptstadt knapp 475 Kilogramm Siedlungsabfälle (Hausmüll, Sperrmüll, Straßenkehricht sowie hausmüllähnliche Abfälle aus dem Kleingewerbe) jährlich und damit 21 Kilogramm mehr als der Durchschnittsdeutsche. Und wie schon vor 100 Jahren ist der Hauptstadtbewohner – gemessen am Rest des Landes – ein Mülltrennungs-Muffel. Der Bundesbürger sammelt im Schnitt etwa 146 Kilo Wertstoffe wie Verpackungen oder Papier, der Berliner kommt auf gerade mal 123 Kilo. Und noch ungünstiger zeigt sich das Verhältnis bei den Zahlen der Bioabfallsammlung: 107 Kilo im Bundesschnitt stehen 36 Kilo pro Berliner gegenüber. Fazit: Im ökologischen Umgang mit der Müllproblematik hat der hauptstädtische Verbraucher durchaus noch „Entwicklungsspielraum“.
Kristina Simons
Abfallstatistiken für Berlin:
www.statistik-berlin-brandenburg.de
(Pfad: Statistiken / Umwelt / Abfallwirtschaft);
Zur Abfallwirtschaft in Berlin:
www.berlin.de/sen/uvk/umwelt/
kreislaufwirtschaft/strategien/
abfallwirtschaftskonzepte/
Jinhee Park: „Von der Müllkippe zur Abfallwirtschaft – Die Entwicklung der Hausmüllentsorgung in Berlin (West) von 1945 bis 1990“
MieterMagazin 7+8/09
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06.05.2023