Neben Berlin nutzen viele Kommunen bundesweit das Instrument sozialer Erhaltungsverordnungen. Nürnberg spielte den Vorreiter. Heute setzen vor allem München und Hamburg auf Milieuschutz, Frankfurt und Köln ziehen nach.
Als die Möglichkeit, Milieuschutzsatzungen einzuführen, 1976 ins Bundesbaugesetz aufgenommen wurde, nutzten die Kommunen das Instrument nur zögerlich, der Deutsche Städtetag zeigte sich skeptisch, und die unklaren Rechtsbegriffe und der vermutete hohe Aufwand schreckten ab. Neben einigen Ruhrgebietsstädten übernahm 1981 vor allem die Stadt Nürnberg eine Vorreiterrolle. Dort standen in den folgenden Jahrzehnten bis zu 26 Gebiete unter Milieuschutz. Nürnberg war aber auch insofern Wegbereiter, als man dort die methodische Entwicklung des Instruments vorantrieb, beispielsweise in Form eines Kriterienkatalogs zur Erhaltungswürdigkeit der Sozialstruktur. Viele andere Städte orientierten sich später an diesem Konzept.
Nürnberg selbst hob bereits 2004 den Milieuschutz wieder auf. Begründung: Der Mietwohnungsmarkt habe sich entspannt, außerdem sei die Satzung nicht mit erwünschten Modernisierungen, beispielsweise bei der energetischen Sanierung, vereinbar.
Mit München setzte eine weitere bayrische Großstadt früh auf den Milieuschutz: 1987 wurde dort die erste soziale Erhaltungsverordnung ausgewiesen. Während Berlin städtebauliche Verträge und Auflagen in den Fokus stellt, nutzt München vor allem das kommunale Vorkaufsrecht zum Verkehrswert. Tatsächlich kaufen muss die Stadtverwaltung selten, allein die Möglichkeit bringt die Behörden aber in eine gute Verhandlungsposition und erlaubt ihnen mittels Abwendungsvereinbarung, die Eigentümer auf die Ziele der Erhaltungssatzung, also bezahlbare Mieten und Verzicht auf Luxusmodernisierungen zu verpflichten. Die Anfang 2014 in Bayern eingeführte Umwandlungsverordnung macht Spekulationen in von Gentrifizierung bedrohten Gebieten noch schwieriger.
Im März 2015 beschloss die bayrische Landeshauptstadt das 18. Milieuschutzgebiet – damit fallen 118.000 Wohnungen und 206.000 Einwohner in München unter den Milieuschutz.
Hamburg führte 1995 Milieuschutzverordnungen in drei Gebieten ein. Sobald der Bundesgesetzgeber es 1998 ermöglicht hatte, setzte der Stadtstaat als erstes – und lange einziges – Bundesland ein Umwandlungsverbot in Milieuschutzgebieten ein. Das Konzept ging auf: Seit 1998 kam es zu wesentlich weniger Umwandlungen.
Von 1995 bis 2003 konnten in Hamburgs Milieuschutzgebieten rund 650 Wohnungen vor Spekulationen geschützt werden. Die Kosten für An- und Verkaufsverfahren im Rahmen des kommunalen Vorkaufsrechts hielten sich mit 100.000 Euro im Rahmen. In der Südlichen Neustadt, einem seit 1995 bestehenden Milieuschutzgebiet, konnte die Bevölkerungszusammensetzung trotz hohen Verdrängungsdrucks erhalten werden, wie Evaluationen zeigen.
Heute hat Hamburg sieben Milieuschutzgebiete – unter anderem St. Pauli und die Sternschanze –, in denen 89.060 Menschen leben. Für drei weitere Gebiete gelten Aufstellungsbeschlüsse.
Frankfurt am Main ist der Newcomer unter den Städten, die soziale Erhaltungsverordnungen nutzen. Aktuell erarbeitet das dortige Stadtplanungsamt Milieuschutzsatzungen für acht Stadtteile und damit nahezu den gesamten Innenstadtbereich. 2016 sollen die neuen Verordnungen in Kraft treten. Die Bürger, die in den betroffenen Gebieten leben, fürchten allerdings, dass die Maßnahme zu spät kommt. Um Verdrängungsprozesse bis zum Inkrafttreten der sozialen Erhaltungsverordnung abzumildern, will das Planungsamt nun kritische Bauvorhaben zurückstellen.
Auch Köln, das in den 90er Jahren bereits ein soziales Erhaltungsgebiet ausgewiesen hatte, prüft momentan, ob die Verdrängungstendenzen in einzelnen Stadtteilen weitere Milieuschutzverordnungen rechtfertigen. Die Verwaltung arbeitet dafür an einem Kriterienkatalog.
Katharina Buri
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29.05.2018