Beim Milieuschutz gibt es zwischen Pro und Contra deutliche parteipolitische Trennlinien. Nicht ganz zufällig gehören in den drei Bezirken, die den Milieuschutz ausbauen – das sind Friedrichshain-Kreuzberg, Pankow und Tempelhof-Schöneberg –, die zuständigen Stadträte den Grünen an. Auch die Linken unterstützen den Milieuschutz grundsätzlich. Programmatisch gehört auch die Berliner SPD zu den Befürwortern, in den Bezirken sind allerdings nicht alle sozialdemokratischen Mandatsträger von dem Instrument überzeugt und verhalten sich deshalb zögerlich oder bremsen sogar. Klar gegen den Milieuschutz positioniert sich die CDU. Dass die Eigentümerverbände nichts vom Milieuschutz halten, überrascht nicht. Die Argumente sind allerdings oft erstaunlich unsachlich.
Die Kritik am Milieuschutz entzündet sich häufig schon am Namen. Viele denken dabei automatisch an Heinrich Zilles „Milljöh“ mit elenden Wohnverhältnissen in dunklen Mietskasernen. Und das will man schützen? In Diskussionen um den Milieuschutz fällt immer wieder das Schlagwort „Denkmalschutz für das Außenklo“. Das ist natürlich Unsinn, denn die Schaffung eines zeitgemäßen Standards wird durch den Milieuschutz nicht behindert. Das Bezirksamt Pankow meidet mittlerweile das Wort „Milieuschutz“ und benutzt nur noch den bürokratischen Begriff „soziale Erhaltungsverordnung“.
Den Milieuschutz-Befürwortern wird schon traditionell vorgeworfen, Veränderungen abzulehnen und nur den eigenen Kiez in Watte packen zu wollen.
Seine Gegner schreiben dem Milieuschutz eine Macht zu, die er nicht annähernd hat: Er verhindere jegliche Weiterentwicklung und er verweigere den Menschen eine schöne Wohnung. „Durch regional angewandte Milieuschutz- und Erhaltungssatzungen wird immer wieder versucht, den Bestand rechtswidrig zu konservieren und Eigentümern und Mietern vorzuschreiben, wie ihre Wohnungen ausgestattet sein dürfen“, beklagt zum Beispiel die Pankower CDU. Der Eigentümerverein „Haus & Grund“ schimpft in seiner Zeitschrift „Das Grundeigentum“ (5/2013) über die „Wohnpolizei Friedrichshain-Kreuzberg“ und ihre „rigiden Vorstellungen darüber, wie Menschen im Bezirk zu wohnen haben“. Der Milieuschutz nehme „immer groteskere Formen“ an, heißt es in dem Artikel über die Genehmigungskriterien des Bezirks. „Liebhaber von Doppelwaschbecken und Einbauküchen sollen künftig in andere Bezirke ausweichen.“
Auch einige Bezirkspolitiker können mit dem Ziel, eine bestimmte Bewohnerstruktur zu erhalten, nichts anfangen. Beispiel Neukölln: Der langjährige Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) nahm für die Verbesserung der Sozialstruktur in Nord-Neukölln sehenden Auges eine Verdrängung der ärmeren Bewohner in Kauf. „Für weite Teile der Neuköllner Innenstadt befürworte ich eine vernünftige Gentrifizierung“, sagte Buschkowsky im April 2014 bei einer Grundsteinlegung für eine Eigentumswohnanlage. Ihren kategorischen Widerstand gegen den Milieuschutz hat die Neuköllner SPD mittlerweile aufgegeben. Die mitregierende CDU ist allerdings um den zarten Aufwärtstrend in Neukölln besorgt: „Diesen Trend mit Milieuschutzsatzungen (was ist das eigentlich für ein Begriff?!) aufzuhalten, ist fahrlässig und vor allem kein wirksames Instrument“, meint der stellvertretende Bürgermeister Falko Liecke (CDU).
Ins Leere geht der häufig geäußerte Vorwurf, das Umwandlungsverbot hindere die Mieter an der Eigentumsbildung und erschwere somit ihre Altersvorsorge. Abgesehen von der Frage, wie viele Mieter sich tatsächlich den Kauf einer Wohnung leisten können – wenn es einem Eigentümer wirklich darum geht, seinen Mietern den Erwerb ihrer Wohnung zu ermöglichen, erhalten sie genau für diesen Fall auch eine Genehmigung.
Auch die Klage der Bezirke, man habe für die Sozialstudien kein Geld und für die Umsetzung kein Personal, zieht nicht mehr. Im März versprach Senator Andreas Geisel den Bezirken, die den Milieuschutz nutzen wollen, finanzielle Hilfen und zusätzliche Stellen.
Jens Sethmann
Lesen Sie auch zu diesem Thema:
- Milieuschutz & Co: Unterschätzte Wirkung
- Der Weg zum Milieuschutz: Zögerlicher Durchbruch
- Wie kann der Milieuschutz besser wirken? Zahnpflege für den Tiger
- Milieuschutz in Berliner Bezirken: Schrittmacher und Bremser
- Milieuschutz deutschlandweit: Bayerische Vorreiter
- Die Umstrukturierungsverordnung: Mieterschutz für eilige Fälle
29.05.2018