Nach langen Prüfungen hat sich das Bezirksamt Mitte dazu durchgerungen, im Wedding und in Moabit soziale Erhaltungsverordnungen zu erlassen. Etwa 97.000 Bewohner könnten künftig vom sogenannten Milieuschutz profitieren.
Der Milieuschutz hat das Ziel, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erhalten. Der Bezirk kann Luxusmodernisierungen, Grundrissänderungen und Abrisse untersagen sowie die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verhindern. Durch Haushaltsbefragungen und statistische Auswertungen wurde deutlich, dass in allen im Bezirk Mitte untersuchten Verdachtsgebieten ein hoher Aufwertungsdruck und für die Bewohner eine hohe Verdrängungsgefahr herrscht.
Die Untersuchungen empfehlen, insgesamt fünf Milieuschutzgebiete aufzustellen: Im Wedding die Gebiete Leopoldplatz, Seestraße und Sparrplatz mit zusammen 52.000 Einwohnern, in Moabit zwei noch unbenannte Gebiete nördlich von Alt-Moabit beziehungsweise der Turmstraße mit zusammen 45.000 Einwohnern. Welche Modernisierungen in den Gebieten künftig zulässig sind, möchte Mitte nicht wie die anderen Bezirke nach einer Liste von nicht genehmigungsfähigen Ausstattungen entscheiden, sondern nur danach, ob sich die Mieten auch künftig im Rahmen eines Gebietsmietspiegels bewegen. „Wir sehen die Gefahr, dass das mit der Rechtsprechung kollidiert“, sagt Thomas Koch vom Berliner Mieterverein. Das Bundesverwaltungsgericht hat schon einmal 2004 Mietobergrenzen im Milieuschutz untersagt.
Das Bezirksamt will die Milieuschutzverordnung im April oder Mai beschließen lassen. Bei einem beherzteren Vorgehen des Bezirks wären die Bewohner schon vor einem guten Jahr in den Genuss des Verdrängungsschutzes gekommen. Bereits im Januar 2015 kam eine Vorprüfung der Gebiete zu fast den gleichen Ergebnissen wie die jetzigen Untersuchungen. Der Bezirk hätte damals schon einen Aufstellungsbeschluss fassen können, der alle milieuschutzrelevanten Anträge für ein Jahr zurückgestellt hätte.
Untersucht wurde auch das bestehende Milieuschutzgebiet Oranienburger Vorstadt. Das Ergebnis ist ernüchternd: Weil dort nur noch sehr wenig verdrängungsgefährdete Bewohner leben, wird vorgeschlagen, den Milieuschutz aufzuheben. „Das Ziel ist dort völlig verfehlt worden“, kritisiert Thomas Koch. Der BMV begrüßt die Ausweitung des Milieuschutzes in Mitte, das Instrument müsse aber auch konsequent angewandt werden.
Jens Sethmann
20.09.2021