Autor des Mieter-Magazin Extras ist Jens Sethmann
Folgende Fragen behandelt dieser Artikel:
- Bodenpreisentwicklung: Eine Wertexplosion und ihre Folgen
- Steuerliche Instrumente: Der Fiskus zeigt keine Zähne
- Baurechtliche Instrumente: … und auch den Kommunen fehlt der Biss
- Erbbaurecht: Bauen ohne Bodenkauf
- Öffentliche Grundstücke: Berlin entdeckt seine Schätze
- Stadtbodenstiftung: Gemeinwohl im Zeichen des Maulwurfs
- Positionen zur Bodenpolitik: Zwei Lager
Bodenpreisentwicklung: Eine Wertexplosion und ihre Folgen
Alle reden von den steigenden Mieten. Eine ganz wesentliche Ursache für die Mietenexplosion findet hingegen kaum Beachtung: die rasant steigenden Bodenpreise. Sie verteuern den Wohnungsbau, treiben die Mieten in die Höhe, verstärken die soziale Ungleichheit und schränken die Handlungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand ein. Die Rufe nach einer Bodenpreisbremse werden lauter.
In Berlin hat sich der durchschnittliche Bodenpreis zwischen 2014 und 2018 verdreifacht, in München sogar vervierfacht. Auf lange Sicht sind die Steigerungen noch krasser. In der bayerischen Landeshauptstadt sind die Grundstückspreise seit 1950 um sagenhafte 65 000 Prozent angewachsen. Wer dort vor 70 Jahren ein 1000-Quadratmeter-Grundstück für 6000 Mark gekauft hat, kann seinen Erben heute ein Immobilienvermögen von zwei Millionen Euro hinterlassen. Erzielt wird diese Traumrendite ohne eigenes Zutun, einfach nur durch Abwarten. Bei solch glänzenden und sicheren Gewinnaussichten können andere Geldanlagemöglichkeiten wie Aktien, Devisen oder Sparkonten nicht mithalten. „Kapitalerträge sind gegenüber Bodenerträgen kleine Fische“, weiß der Ökonom Dirk Löhr von der Hochschule Trier, der sich leidenschaftlich für eine neue Bodenpolitik einsetzt. Mit Grundbesitz wird kräftig spekuliert – nicht nur mit städtischen Immobilien in boomenden Orten wie Berlin oder München, sondern längst auch mit Acker- und Weideland in Brandenburg, Argentinien oder Kenia.
Hohe Bodenpreise verhindern den Bau von bezahlbaren Wohnungen. Vor Jahrzehnten war bei der Baukostenkalkulation der Grundstücksankauf eine fast zu vernachlässigende Größe. In München machten im Jahr 1961 bei einem Wohnungsbauvorhaben die Grundstückskosten noch 8 Prozent der Gesamtkosten aus, im Jahr 2018 hingegen 79 Prozent. München ist ein Extremfall, doch die Tendenz ist in allen deutschen Großstädten gleich.
Wer wie die städtischen Wohnungsbaugesellschaften und die Genossenschaften günstigen Wohnraum bauen will, muss deshalb auf eigene Baulandreserven zurückgreifen. So entstehen diese Wohnungen vor allem als Nachverdichtung in den Siedlungen, die sich meist in den Außenbezirken befinden. An den Kauf innerstädtischer Bauflächen ist für sie nicht zu denken. In den zentralen Bezirken der Großstädte entstehen wegen der hohen Preise überwiegend teure Miet- und Eigentumswohnungen. Die soziale Durchmischung der Stadt löst sich langsam auf.
Die Grundstückspreise verstärken den Druck auf die Mieten
Die Grundstückspreise wirken sich direkt auf die Mieten aus. Wer ein Mietshaus erwirbt, möchte den Kaufpreis möglichst schnell wieder einnehmen. Also werden die Mieten erhöht. Da reguläre Mieterhöhungen nach dem Mietspiegel in den Augen der Vermieter zu wenig bringen, kündigen sie meist aufwendige Modernisierungen an: Damit lässt sich zum einen die Miete schneller erhöhen, zum anderen werden so finanzschwächere Mieter zum Auszug gedrängt. Mit Auszugsprämien kann man dem noch etwas nachhelfen. Bei den Neuvermietungen nach der Modernisierung können dann beliebige Mieten verlangt werden, weil die Mietpreisbremse nicht greift. Die immens steigenden Kaufpreise für Eigentumswohnungen führen zudem dazu, dass immer mehr Mietshäuser in Einzeleigentum aufgeteilt und auf den Markt geworfen werden. Der Druck auf die einzelnen Mieter wird dadurch noch größer.
In Berlin müssen schon vier von zehn Haushalten mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Bruttokaltmiete ausgeben. Bundesweit zahlen eine Million Haushalte sogar mehr als die Hälfte ihres Einkommens an ihren Vermieter. Auf der anderen Seite haben Grundstückseigentümer ein leistungsloses Einkommen. Ihr Besitz wird automatisch immer wertvoller. „Die Vermögensverteilung wird durch die Bodenpreissteigerung immer ungleicher“, sagt Stephan Reiß-Schmidt von der Initiative „Münchner Aufruf für eine andere Bodenpolitik“.
Das Bundesverfassungsgericht urteilte bereits 1967: „Die Tatsache, dass der Grund und Boden unvermehrbar und unentbehrlich ist, verbietet es, seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der Kräfte und dem Belieben des einzelnen vollständig zu überlassen.“ Die Forderung des Gerichts, „die Interessen der Allgemeinheit beim Boden in weit stärkerem Maße zur Geltung zu bringen“, wurde bis heute nicht erfüllt.
Handelsware Boden?
Ist der Boden überhaupt etwas, mit dem man Handel treiben kann? Anders als sonstige Handelsware wie Seife, Schuhe oder Computer wurde der Boden von niemandem hergestellt. Der Boden ist nicht vermehrbar und lässt sich nicht bewegen. Die technischen Voraussetzungen für eine Bebauung – Straßen, Kanalisation, Versorgungsleitungen – schafft die Kommune. Alles was den Wert des Bodens ausmacht, wird von der Allgemeinheit bezahlt. Dennoch wird der Boden nicht als Gemeingut behandelt und das Eigentumsrecht nicht angetastet. „Ein Teil der Gesellschaft verlangt hier von dem andern einen Tribut für das Recht, die Erde bewohnen zu dürfen“, beklagte schon Karl Marx.
Steuerliche Instrumente: Der Fiskus zeigt keine Zähne
Bei der Neuregelung der Grundsteuer wurde eine Chance zur Beeinflussung des Bodenmarkts vertan. Aktueller denn je ist eine Idee zur Besteuerung von Bodenwertgewinnen, die der SPD-Politiker Hans-Jochen Vogel schon vor 50 Jahren gefordert hatte.
Auf Verlangen des Bundesverfassungsgerichts haben Bund und Länder im vergangenen Jahr die Berechnung der Grundsteuer neu geregelt. Noch beruht sie auf dem Jahresrohmietenertrag von 1964 beziehungsweise 1935 und taugt keineswegs mehr für eine gerechte Besteuerung.
Für eine grundlegende Reform der Grundsteuer wurde der Auftrag des Verfassungsgerichts leider nicht genutzt. Es bleibt bei einem wertabhängigen Modell. Zur Berechnung der Grundsteuer werden der Wert des Bodens und die durchschnittliche Miete herangezogen. Dafür muss jedes Grundstück amtlich neu bewertet werden. Ab 2025 soll die neue Grundsteuer erhoben werden.
In der Diskussion standen zwei weitere Modelle. Vor allem das Land Bayern hat eine wertunabhängige Grundsteuer gefordert. Dabei würden Immobilien allein nach der Grundstücks- und Gebäudefläche besteuert, unabhängig von Lage und Nutzung.
Das Modell einer Bodenwertsteuer fordert das Bündnis „Grundsteuer: Zeitgemäß!“, das von über 50 Bürgermeistern und Verbänden wie dem Deutschen Mieterbund (DMB) getragen wird. Bei diesem Modell soll der amtliche Bodenrichtwert die einzige Bemessungsgrundlage sein. Die Bebauung der Grundstücke bleibt außer Betracht. Das stellt einerseits sicher, dass Stadtrandlagen geringer besteuert werden als City-Grundstücke. Andererseits verteuert das Modell die Spekulation mit Grund und Boden und gibt einen Anreiz, innerstädtische Brachen zu bebauen.
Auf Bundesebene konnten sich diese Alternativen nicht durchsetzen. Allerdings bekommen die Bundesländer durch eine Öffnungsklausel die Möglichkeit, abweichende Regelungen aufzustellen: „Die Länder können ihr ganz eigenes Modell schaffen“, sagt Bodenwertsteuer-Verfechter Dirk Löhr. So könnte Berlin doch noch die Bodenwertsteuer einführen.
Verfassungsauftrag: Bodenwertsteigerungen für die Allgemeinheit nutzen
Der Senat winkt jedoch ab: „Nein, der Berliner Senat wird keine eigene Regelung treffen“, sagt Alexis Demos, Sprecher von Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD). Um die Baulandspekulation zu bremsen, setzt der Senat auf die neue „Grundsteuer C“: Ab 2025 gibt es die Möglichkeit, für baureife, aber unbebaute Grundstücke einen höheren Hebesatz zu beschließen. „Die Steuer steigt, wenn nicht gebaut wird“, erklärt Alexis Demos. „Das ist ein wichtiger Hebel, um zusätzlichen Wohnraum zu schaffen.“
Die Städte und Gemeinden haben mit der Grundsteuer konjunkturunabhängige und zuverlässige Einnahmen. Berlin hat im Jahr 2019 rund 827 Millionen Euro an Grundsteuer eingenommen. Matthias Kollatz will das Steueraufkommen nach der Reform durch Anpassen des Hebesatzes stabil halten. Er geht davon aus, dass die Grundsteuer vor allem in Hochpreislagen steigt und bei Mietwohnungen tendenziell sinkt.
Dass die Spekulation mit Grund und Boden ein großes Problem für die Gesellschaft ist und der Staat die Möglichkeit haben sollte, Spekulationsgewinne abzuschöpfen, ist keine neue Idee radikaler Sozialrevolutionäre. „Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen“, heißt es gleichlautend in den Landesverfassungen von Bayern und Bremen. Selbst der CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß beklagte 1970: „Die Grundstückspreise in der Bundesrepublik Deutschland steigen in einem Maße, dass es nicht zu verantworten ist, diese Gewinne unversteuert in die Taschen einiger fließen zu lassen.“ Der damalige Münchener Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel (SPD) forderte eine Besteuerung des Bodenwertzuwachses. Wer ein Grundstück mit Gewinn weiterverkauft, ohne selbst etwas investiert zu haben, sollte hohe Steuern auf den Profit zahlen. Durchsetzen konnte Vogel dies auch in seiner Zeit als Bundesminister nicht.
Heute bringt das SPD-Urgestein das Thema zurück auf die Tagesordnung: „Die Tatsache, dass der Umgang mit Grund und Boden bis heute den Marktregeln und eben nicht den Vorgaben des Allgemeinwohls entspricht, hat zu schweren Fehlentwicklungen geführt.“
Ein Hebel, um den Handel mit Immobilien unattraktiv zu machen, ist die Grunderwerbsteuer. Sie fällt einmalig beim Kauf einer Immobilie an und beträgt je nach Bundesland zwischen 3,5 und 6,5 Prozent des Kaufpreises. Die Steuer verteuert aber auch den Wohnungsbau, wenn erst ein Baugrundstück angekauft werden muss.
Bei großen Transaktionen wird die Grunderwerbsteuer häufig mit „Share Deals“ umgangen, indem nicht die Immobilien selbst den Besitzer wechseln, sondern Firmenanteile. Wenn weniger als 95 Prozent einer Immobiliengesellschaft veräußert werden, fällt keine Grunderwerbsteuer an. Die verbliebenen fünf Prozent müssen nur fünf Jahre lang von jemand anderem gehalten werden. Die Bundesregierung will dies dahingehend ändern, dass die Steuer schon bei einem Anteil von 90 Prozent erhoben wird und die Haltefrist auf zehn Jahre verlängert wird. Der Gesetzentwurf liegt allerdings auf Eis.
Mieter sollen weiter die Eigentümersteuer zahlen
Auch nach der Reform dürfen Vermieter die Grundsteuer über die Betriebskostenabrechnung auf die Mieter abwälzen. „Es ist völlig unverständlich, dass Mieter diese Eigentümersteuer zahlen“, protestiert DMB-Präsident Lukas Siebenkotten. „Wer von steigenden Immobilienwerten profitiert, soll auch die darauf entfallende Steuer zahlen.“ Die vom DMB angestoßene Petition „Grundsteuer raus aus den Betriebskosten“ hat die Bundesregierung noch nicht zum Handeln bewegen können.
www.grundsteuerreform.net
Baurechtliche Instrumente: … und auch den Kommunen fehlt der Biss
Das Bau- und Planungsrecht greift nur wenig in die Eigentumsverhältnisse ein. Die Stadtplanung eröffnet oder beschränkt die Bebaubarkeit und die Nutzungsmöglichkeiten von Grund und Boden, verpflichtet den Eigentümer in der Regel aber zu nichts. Die Städte können zwar in einigen Sonderfällen Baugebote aussprechen, den Grundstücksverkehr kontrollieren und Vorkaufsrechte ausüben. Sie nutzen die Möglichkeiten aber nur zögerlich.
In förmlich festgelegten Sanierungsgebieten und Städtebaulichen Entwicklungsgebieten kontrolliert die Stadt den Immobilienhandel: Um zu verhindern, dass Grundstückseigentümer aus den geplanten Stadterneuerungs- und Erschließungsmaßnahmen ihren Profit schlagen, hat die öffentliche Hand ein Vorkaufsrecht. Die Stadt kann damit in einen angezeigten Kaufvertrag selbst als Käufer einspringen, nötigenfalls einen überhöhten Kaufpreis auf den Verkehrswert absenken und in letzter Konsequenz auch enteignen.
Das Vorkaufsrecht gibt es auch in den sozialen Erhaltungsgebieten. Der sogenannte Milieuschutz soll soziale Verdrängung verhindern und die Strukturen der angestammten Bevölkerung schützen. Wenn hier Mietshäuser zu Preisen verkauft werden, die nur durch erhebliche Mietsteigerungen refinanziert werden können, kann die Stadt mit dem Vorkaufsrecht dazwischengehen. Der Vorkauf wird in der Regel zugunsten einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft, einer Genossenschaft oder einer anderen nicht-profitiorientierten Organisation ausgeübt. Nicht zuletzt die Vorkaufsmöglichkeit hat die Berliner Bezirke zur Ausweisung von aktuell 61 Milieuschutzgebieten mit insgesamt 914.000 Einwohnern bewegt.
Doch das Vorkaufsrecht stößt an Grenzen. Die zwischen Verkäufer und Käufer ausgehandelten Preise sind mittlerweile so hoch, dass ein bloßes Eintreten in den Kaufvertrag oft grob unwirtschaftlich erscheint. Unter welchen Umständen die öffentliche Hand den Preis auf den Verkehrswert absenken kann, ist nicht höchstrichterlich geklärt. Selbst wenn es gelingt, ergibt sich daraus nicht unbedingt ein akzeptables Geschäft. Die amtlichen Bodenrichtwerte sind durch den Boom auf dem Grundstücksmarkt in den letzten Jahren vor allem in der Innenstadt in solche Höhen gestiegen, dass das Vermieten zu sozial verträglichen Mieten ein Zuschussgeschäft wäre. Die Initiative „Münchner Aufruf für eine andere Bodenpolitik“ fordert neue Gesetze, um die Ankaufspreise zu begrenzen: „Man will ja nicht die Mondpreise des Marktes bezahlen“, so Stephan Reiß-Schmidt von der Initiative.
Baugenehmigung zwecks Bodenwertsteigerung
Da Grundstücke durch bloßes Abwarten ihren Wert steigern, können Eigentümer auch mit Brachflächen spekulieren, die an sich gar keinen Gewinn abwerfen. Wertsteigernd ist es, wenn man für eine Baulücke eine Baugenehmigung einholt, selbst wenn man gar nicht die Absicht hat zu bauen. In Berlin beläuft sich der „Bauüberhang“ mittlerweile auf 65.000 Wohnungen, deren Bau zwar genehmigt ist, aber nicht ausgeführt wird. Der Senat hat deshalb im Jahr 2018 die Bauordnung geändert: Baugenehmigungen und Bauvorbescheide sind nur noch zwei statt drei Jahre gültig und verfallen, wenn der Bau nach sechs Jahren nicht fertiggestellt wurde. Die Lage hat sich dadurch allerdings noch nicht verbessert.
Das Baugesetzbuch sieht für solche Fälle ein Baugebot vor: Die Stadt fordert den Eigentümer auf, das Grundstück bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu bebauen. Sollte dieser dazu nicht bereit oder in der Lage sein, kann die Stadt ihm das Grundstück zum Verkehrswert abkaufen. Berlin hat allerdings wie die meisten Städte noch nie ein Baugebot ausgesprochen.
Während andere das juristische Glatteis scheuen, ist Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) in die Offensive gegangen. In seiner Stadt herrscht Wohnungsnot, und die Bodenpreise sind in den Jahren zwischen 2010 und 2020 von 300 auf 1050 Euro pro Quadratmeter angestiegen. Palmer hat vor einem Jahr 240 Eigentümern bebaubarer Grundstücke Baugebote angekündigt. Die angeschriebenen Eigentümer sollen sich dazu verpflichten, innerhalb von zwei Jahren einen Bauantrag zu stellen und in vier Jahren neuen Wohnraum zu bauen. „Der Großteil des Grundstückswerts entsteht erst durch das Baurecht, er kann also von niemandem selbst geschaffen werden“, erklärt Palmer in seinem Schreiben. „Damit die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum gelingt, muss dieser gemeinschaftlich geschaffene Wert auch genutzt werden.“
Die Reaktionen in Tübingen sind verschieden: „Ein Drittel hat zu erkennen gegeben, dass es bereit ist, zu bauen oder zu verkaufen“, berichtet Palmer. Ein weiteres Drittel habe sich nicht zurückgemeldet und ein Drittel habe strikt abgelehnt und Rechtsanwälte eingeschaltet. „Es ist gut, wenn Tübingen das versucht. Das hätte eine Signalwirkung“, sagt Stephan Reiß-Schmidt.
Die von Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) einberufene Baulandkommission hat im Juli 2019 empfohlen, das Baugesetzbuch so zu ändern, dass die Städte Baugebote leichter aussprechen können. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt noch nicht vor.
Bislang nur in eine Richtung: der Planungswertausgleich
Durch stadtplanerische Entscheidungen werden Grundstücke manchmal erheblich wertvoller, ohne dass der Eigentümer etwas dafür leisten muss. Wenn etwa ein Acker zu Wohnbauland erklärt wird oder in einem Einfamilienhausgebiet durch einen Bebauungsplan der Bau von dreigeschossigen Häusern erlaubt wird, steigt der Bodenwert sprunghaft an. Seit Jahrzehnten wird deshalb ein Planungswertausgleich gefordert, der solche Gewinne abschöpft – bislang vergebens. Der umgekehrte Fall ist im Baugesetzbuch geregelt: Wenn die Bebaubarkeit eines Grundstücks durch planerische Entscheidungen eingeschränkt wird, hat der Eigentümer Recht auf einen Ausgleich des sogenannten Planungsschadens.
www.initiative-bodenrecht.de
Handlungsempfehlungen der Baulandkommission:
www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/nachrichten/Handlungsempfehlungen-Baulandkommission.pdf (nicht mehr online verfügbar)
Erbbaurecht: Bauen ohne Bodenkauf
Der Berliner Senat will landeseigene Grundstücke nicht mehr verkaufen, sondern nur noch im Erbbaurecht vergeben. Das Erbbaurecht ist eine besondere Eigentumsform, die in Deutschland bislang kaum zum Einsatz gekommen ist. Erfahrungen aus dem Ausland zeigen aber, dass das Erbbaurecht ein gutes Instrument für eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung sein kann. Mancherorts werden schon mehr als die Hälfte der Bauvorhaben auf Erbbauflächen realisiert.
Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900 ist in Deutschland das Eigentum am Boden immer mit dem Eigentum an den daraufstehenden Gebäuden verbunden. Wem ein Grundstück gehört, der ist auch Eigentümer des Hauses.
Die Ausnahme von dieser Regel ist das Erbbaurecht. Ein Grundstückseigentümer kann einem Dritten das Recht einräumen, auf seinem Boden ein Bauwerk zu errichten und zu bewirtschaften. Der Erbbaurechtsgeber bleibt der Eigentümer des Grundstücks. Das Gebäude gehört hingegen über die Laufzeit des Vertrags dem Erbbauberechtigten. Dieser bezahlt dafür dem Eigentümer einen Erbbauzins, der in der Regel als Prozentsatz des aktuellen Bodenwerts festgelegt wird. Die Laufzeit kann frei ausgehandelt werden, meist beträgt sie 99 Jahre. Anschließend fällt das Gebäude in das Eigentum des Grundeigentümers, der dem Erbbauberechtigten einen angemessenen Ausgleich für den Gebäudewert zahlt.
Das Erbbaurecht wird im Grundbuch eingetragen und wie ein Grundstück behandelt: Das so errichtete Gebäude kann mit Hypotheken belastet, vererbt oder verkauft werden. Dazu ist allerdings die Zustimmung des Grundeigentümers nötig.
Das Grundeigentum vom Gebäudeeigentum zu trennen, gehört seit über 100 Jahren zu den Kernforderungen von Bodenreformern und Stadtplanern. „Der Grund und Boden dem Staat, der Hausbesitz dem Privaten“, fasste der Schweizer Planer Hans Bernoulli in den 1940er Jahren zusammen. Das Erbbaurecht fristet in Deutschland trotz der Vorteile immer noch ein Schattendasein. Hier stehen nur rund vier Prozent der Häuser auf Erbbauflächen. In den Niederlanden sind es 12 Prozent, in Großbritannien 15 Prozent und in Singapur sogar 80 Prozent. Was man mit dem Erbbaurecht anfangen kann, zeigt Amsterdam: Dort werden Grundstücke seit 1896 nur in „erfpacht“ vergeben. Mittlerweile sind 60 Prozent der Gebäude auf Erbbaugrund errichtet worden. Nutzungsrechte werden für 50 Jahre nach Quoten vergeben: Wer dort bauen will, muss 40 Prozent für Sozialwohnungen und 40 Prozent für ein mittleres Preissegment vorsehen. Nur 20 Prozent der Wohnungen sind ohne Preisbindung. Die Stadt setzt so nicht nur einen hohen Anteil bezahlbarer Wohnungen durch. Sie hat auch jährlich Erbbauzinseinnahmen in Höhe von 80 bis 100 Millionen Euro.
Auch in Schweizer Städten hat das Erbbaurecht, das hier „Baurecht“ heißt, Tradition. So vergibt Zürich seit 1924 Baurechte gezielt an gemeinnützige Wohnbauträger, die nach dem Kostenmietenprinzip die Wohnungen ohne Gewinnabsichten bewirtschaften. Die Baurechtszinsen bescheren der Stadt Einnahmen von knapp 20 Millionen Euro pro Jahr.
Im Kanton Basel-Stadt setzte eine Initiative im Jahr 2016 per Volksabstimmung durch, dass Immobilien grundsätzlich nicht mehr verkauft werden, sondern im Baurecht abgegeben werden. Auch in Deutschland wird mittlerweile der Ruf nach dem Erbbaurecht lauter. Der größte Vorteil, so Stephan Reiß-Schmidt vom „Münchner Aufruf für eine neue Bodenpolitik“: „Öffentliches Land bleibt in öffentlicher Hand.“
Eine in Deutschland vergessene Tradition
Das Erbbaurechtsgesetz von 1919 hat die heutige gesetzliche Grundlage geschaffen. Das Erbbaurecht soll ausdrücklich den Wohnungsbau fördern: Es ermöglicht einerseits finanziell schwächeren Bevölkerungsschichten das Bauen, auch wenn sie sich einen Grundstückskauf nicht leisten können. Andererseits bekämpft es die Bodenspekulation. Obwohl jeder Grundstückseigentümer mit dem Erbbaurecht arbeiten könnte, nutzen es vor allem Kommunen, Kirchen und Stiftungen. Sie sorgen so dafür, dass ihre Flächen zum Beispiel für den Wohnungsbau genutzt werden, ohne selbst Bauinvestitionen tätigen zu müssen, und behalten dennoch dauerhaft ihr Grundvermögen.
Öffentliche Grundstücke: Berlin entdeckt seine Schätze
Berlin hat immer noch viel Fläche in Landesbesitz. Der Senat hat beschlossen, landeseigene Flächen nicht mehr zu verkaufen und eine strategische Grundstücksreserve aufzubauen. Wie man öffentliche Grundstücke zum Wohle der Allgemeinheit nutzen kann, machen andere Städte vor.
Nach der Wende verkaufte Berlin in Finanznot sein Tafelsilber in Form von Versorgungsbetrieben und Wohnungsbaugesellschaften samt zugehöriger Grundstücke. Dass diese Verkaufspolitik kurzsichtig und falsch war, bezweifelt heute niemand mehr ernsthaft. Mittlerweile werden landeseigene Flächen grundsätzlich nicht mehr verkauft.
Berlin hat vergleichsweise viel Grundbesitz. 420 Quadratkilometer, 47 Prozent des Stadtgebietes, befinden sich im Eigentum des Landes Berlin. Davon dienen 93 Prozent der Daseinsvorsorge. Darunter befinden sich neben prominenten Immobilien wie dem Roten Rathaus oder dem Olympiastadion vor allem Schulen, Hochschulen, Straßen, Grünanlagen und nicht zuletzt ausgedehnte Wälder. 100 Quadratkilometer Forstfläche sind durch den Dauerwaldvertrag von 1915 gesichert. Von den 27 Quadratkilometern landeseigener Kleingartenfläche sind 82 Prozent dauerhaft gesichert, weitere 10 Prozent bis 2030.
Nur drei Prozent des landeseigenen Grundbesitzes werden für städtische Aufgaben nicht mehr benötigt und sind früher oder später für andere Zwecke verfügbar. Das sind immerhin noch 12,6 Quadratkilometer – so viel wie die Fläche des ehemaligen Bezirks Schöneberg. Ein großer Teil davon sind ehemalige Rieselfelder am Stadtrand, die infrastrukturell schlecht erschlossen sind.
Der Berliner Senat hat im Februar beschlossen, eine strategische Grundstücksreserve aufzubauen. Damit sollen für künftige Aufgaben der Daseinsvorsorge, insbesondere des Wohnungsbaus, notwendige Flächen vorgehalten werden. „Der strategische Aufbau einer Grundstücksreserve ist Voraussetzung dafür, dass Berlin lebenswert bleibt und auch künftig sozial gerechte und ökonomisch wie ökologisch kluge Lösungen möglich sind“, erklärt Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD).
Gebraucht werden vor allem Flächen für den Bau bezahlbarer Wohnungen, von Schulen und Kitas, aber auch für technische Infrastruktur und Grünanlagen. Beim Grundstücksankauf muss die konkrete spätere Nutzung noch nicht unbedingt feststehen. Im „Sondervermögen Infrastruktur der wachsenden Stadt und Nachhaltigkeitsfonds“ (SIWANA IV) steht ein spezieller Ankaufsfonds zur Verfügung.
Welche Möglichkeiten sich mit einer nachhaltigen Bodenbevorratung eröffnen, zeigt die Stadt Ulm. Seit 125 Jahren kauft die Kommune Land auf Vorrat. Sie besitzt heute 37 Prozent des Stadtgebiets und kann damit den Markt ganz erheblich beeinflussen. Für einen Quadratmeter bezahlt die Stadt momentan 40 bis 80 Euro. Wenn ein Eigentümer nicht zu diesem niedrigen Preis verkaufen will, darf er dort nicht bauen. „Neues Baurecht gibt es nur, wenn die Stadt im Besitz der Grundstücke ist“, stellt Oberbürgermeister Gunter Czisch (CDU) klar. Baureifes Land verkauft das Rathaus mit Gewinn an Bauinvestoren. Diesen Erlös nutzt die Stadt wieder für den Kauf neuer Flächen. Die Investoren verpflichten sich, in drei Jahren Wohnungen zu bauen, ansonsten geht das Grundstück zurück an die Stadt, und zwar zum alten Preis. Überhaupt darf der Investor das Grundstück nie an einen Dritten weiterverkaufen, sondern nur an die Stadt. Dieses Wiederkaufsrecht ist im Grundbuch festgeschrieben. Für Spekulanten ist Ulm deshalb sehr uninteressant.
Auch München erntet heute die Früchte einer vorausschauenden Politik. Seit 2016 entsteht das neue Wohngebiet Freiham für 25.000 Menschen auf 170 Hektar Ackerboden, den die öffentliche Hand schon 1966 für rund 100 Millionen Mark gekauft hat. Das war ein ausgezeichnetes Geschäft, denn heute würde allein das Bauland unglaubliche 1,275 Milliarden Euro kosten.
Ausverkauf bei den Hohenzollern
Als im Mittelalter die deutschen Städte gegründet wurden, gehörte die gesamte Stadtfläche dem Landesherrn – in Berlin den Markgrafen von Brandenburg. Den Ansiedlern wurde ein Erbbaurecht auf unbegrenzte Zeit eingeräumt. Im 18. Jahrhundert begann sich das Blatt zu wenden. Damit die preußische Hauptstadt größer und bedeutender wird, haben die Hohenzollern-Könige weitläufige Stadterweiterungen abgesteckt und das Bauland an Private verschenkt. Auch der städtische Adel kaufte sich oft von den Erbbauzinsen frei und kam so in den privaten Besitz seiner Grundstücke. 1850 folgte der letzte Privatisierungsschritt: Staatliche Grundstücke konnten für den 18-fachen Betrag der jährlichen Steuer ins Eigentum des Nutzers übergehen. Nur noch Grundstücke, die unmittelbar staatlichen Zwecken dienten, blieben in öffentlichem Eigentum.
Stadtbodenstiftung: Gemeinwohl im Zeichen des Maulwurfs
Ein Maulwurf, der „der Spekulation den Boden abgraben“ will, ist das Maskottchen der neuen Stadtbodenstiftung. Die Stiftung will in Berlin Grundstücke dem Markt entziehen und dauerhaft günstige Räume zum Wohnen, für Gewerbe, Sozialprojekte und Kultur ermöglichen.
„Das ist ein Versuch, einen Bodenfonds auf privater Basis zu organisieren“, erklärt Magnus Hengge, einer der Begründer der Stiftung. Sie ist nicht-gewinnorientiert und nachbarschaftlich-demokratisch organisiert. Die Stadtbodenstiftung will Grundstücke und Häuser erwerben und diese den Nutzern per Erbbaurecht zur Verfügung stellen. Das Grundstück bleibt auf Dauer im Eigentum der Stiftung, während die Gebäudenutzer das Haus gegen Zahlung eines geringen Erbbauzinses für 99 Jahre überschrieben bekommen. Die Laufzeit ist verlängerbar. Zwischen der Stiftung und den Nutzern – sei es eine Hausgemeinschaft, eine Genossenschaft oder ein Zusammenschluss von Gewerbetreibenden – wird ein Erbbaurechtsvertrag geschlossen. Darin wird geregelt, dass das Nutzungsrecht nicht weiterverkauft werden darf, die Mieten dauerhaft bezahlbar sein müssen und Nutzer mit geringem Einkommen berücksichtigt werden.
Das Besondere ist, dass nicht nur ein Vorstand über die Geschicke der Stiftungshäuser entscheidet, sondern die Nutzer und die Nachbarschaft mitbestimmen können.
Wo sollen die Grundstücke herkommen? „Wir wollen Leute mit Immobilien- oder Kapitalbesitz für die Stiftung gewinnen“, sagt Hengge. Vorrangig will die Stiftung Mietshäuser kaufen, im Idealfall von einem Eigentümer, der die Stiftung unterstützen möchte und deshalb nicht den vollen Marktpreis verlangt. Über Nachlässe oder Schenkungen – zum Beispiel wenn sich bestehende Hausprojekte unter das Dach der Stiftung begeben – würde sich die Stadtbodenstiftung natürlich freuen. Auch ein Erwerb von Häusern über das bezirkliche Vorkaufsrecht ist denkbar. Gesucht werden auch Stifter, die der Initiative mit größeren oder kleineren Beträgen zu einem Grundkapital verhelfen. Weil die Stadtbodenstiftung gemeinnützig ist, sind Zuwendungen steuerlich absetzbar.
Beißreflexe gegen Innovationen
Einer der Initiatoren der Stadtbodenstiftung ist Florian Schmidt, grüner Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg. Er begründet sein Engagement: „Die Stadtbodenstiftung ist ein innovativer Weg, um die Spekulation mit Boden und Immobilien zu stoppen und den sozialen Zusammenhalt in den Kiezen zu stärken.“ Für CDU und FDP ist das ein rotes Tuch. „Florian Schmidt verstrickt sich weiter in Skandale“, wettern die CDU-Abgeordneten Christian Gräff und Kurt Wansner. Die FDP-Haushaltspolitikerin Sibylle Meister warnt vor einem „weiteren Steuergeldverschwendungssumpf für Klientelprojekte“. Der Maulwurf hat immer noch viele Feinde.
Weitere Informationen:
stadtbodenstiftung.de
E-Mail: kontakt@stadtbodenstiftung.de
Positionen zur Bodenpolitik: Zwei Lager
In der Bodenpolitik gibt es zwei klar voneinander getrennte Lager: SPD, Grüne und Linke mahnen wie die Mieterverbände dringend Reformen an, während konservative, liberale und rechte Kräfte zusammen mit der Immobilienwirtschaft alles so lassen wollen, wie es ist.
Die SPD hat auf ihrem Bundesparteitag im Dezember 2019 umfangreiche Maßnahmen für eine „gemeinwohlorientierte Bodenpolitik“ beschlossen. Die Sozialdemokraten fordern eine Bodenwertzuwachssteuer und einen Planungswertausgleich, ein kommunales Vorkaufsrecht, das an den Ertragswerten der Immobilien orientiert wird, geringere Hürden zum Aussprechen von Baugeboten und den verstärkten Einsatz von Erbbaurechten. „Wir wollen nicht mehr und nicht weniger, als dass Grundbesitzer, die ohne eigenes Zutun durch die Umwidmung von Flächen in Bauland zu Multimillionären werden, ihrer Kommune einmalig einen Teil davon abgeben müssen“, erklärt SPD-Chef Norbert Walter-Borjans.
Beim Koalitionspartner CDU/CSU stoßen die Vorschläge auf Ablehnung. „Die Einführung einer Bodenzuwachssteuer kommt nicht in Frage“, sagt die CDU-Finanzpolitikerin Antje Tillmann. „Der Eigentümer einer Wohnung würde die neue Steuer auf jedem möglichen Weg an die Mieter weitergeben“, so ihr Einwand. Der baupolitische Sprecher der Unionsfraktion, Kai Wegner (CDU), nennt eine Bodenwertzuwachssteuer ein „Investitionshemmnis“ und fordert stattdessen einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer für selbst genutztes Wohneigentum.
„Vollkommen abstrus“ nennt der FDP-Abgeordnete Daniel Föst den SPD-Vorschlag. „Neubauten können so noch teurer werden“, meint er. Die AfD sorgt sich, dass die Bodenwertzuwachssteuer den Bürgern den Erwerb von Wohneigentum erschwert. „Mit immer neuen Steuern zementiert die SPD eine abhängige Proletarier-Gesellschaft, die zur manipulierbaren politischen Masse wird“, meint AfD-Finanzpolitiker Albrecht Glaser erkannt zu haben.
Union, FDP und AfD sind damit weitgehend auf der Seite der Eigentümer und der Wohnungswirtschaft. Kai Warnecke, Präsident des Verbandes Haus & Grund, erklärt, eine Bodenwertzuwachssteuer würde „viele Eigentümer zum Verkauf ihres Hauses oder ihrer Wohnung zwingen“. Der Präsident des Zentralen Immobilien-Ausschusses (ZIA), Andreas Mattner, spricht von einer „Wohnungsbausteuer“: „Damit werden diejenigen bestraft, die für Wohnraum in Deutschland sorgen.“
Immobilienlobby: Die Kommunen sollen mehr Bauland ausweisen
Auch andere Eingriffe in den Bodenmarkt kommen in der Branche schlecht an. Die Grundsteuer C für baureife Grundstücke hält Kai Warnecke für einen „Griff in die Mottenkiste der Steuerpolitik“. Jürgen Michael Schick, Präsident des Immobilienverbands IVD, meint: „Eine Grundsteuer C ist nicht geeignet, Bauland zu mobilisieren, und würde den Neubau von Wohnungen lediglich verteuern.“ Für den IVD würden auch strengere Baugebote das Problem verschärfen. „Ebenso finden wir eine Verlängerung der Vorkaufsrechte auf 12 Wochen und eine einseitige Fokussierung auf Bodenbevorratung in Zeiten von Höchstpreisen problematisch.“ Die Städte sollten stattdessen mehr Bauland ausweisen, auch am Stadtrand.
Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke sprechen sich hingegen für eine stärkere Rolle des Staates aus. Die Linksfraktion im Bundestag hat im Juli 2019 einen „10-Punkte-Plan für eine soziale Bodenpolitik“ vorgelegt. Sie möchte nicht nur die Privatisierung stoppen, sondern auch ein Bodenrückkaufprogramm starten. „Bezahlbares Bauen und damit auch bezahlbare Mieten sind nur möglich, wenn mehr Bauland in öffentlicher Hand ist und damit der Marktlogik entzogen wird“, sagt Linken-Baupolitikerin Caren Lay. „Bauland gehört in Gemeinschaftshand und darf zukünftig nur noch mittels Erbbaurechten vergeben werden.“ Leistungslose Bodenwertsteigerungen will die Linke steuerlich abschöpfen. Bei Share Deals soll schon beim Kauf von 50 Prozent der Firmenanteile die Grunderwerbsteuer erhoben werden. Damit Eigentümer sich nicht hinter undurchsichtigen Firmengeflechten verstecken können, fordert Die Linke ein transparentes Liegenschaftsregister.
„Wir wollen Kommunen dabei unterstützen, wieder verstärkt Grund und Boden für öffentliche Aufgaben wie gemeinnützigen Wohnungsbau zu erwerben“, heißt es im Beschluss der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen von November 2019. Öffentliche Grundstücke sollen nur noch im Erbbaurecht vergeben werden. Die Grünen befürworten die Grundsteuer C und wollen, dass Baugebote nicht nur für einzelne Grundstücke, sondern auch für ganze Gebiete ausgesprochen werden können. Planungsbedingte Bodenwertsteigerungen will die Partei generell abschöpfen und für die kommunale Infrastruktur, soziales Wohnen und die Umwelt einsetzen. „Wenn wir den steigenden Bodenpreisen tatenlos zuschauen, gefährden wir den sozialen Zusammenhalt in Deutschland“, sagt die Bundestagsabgeordnete Daniela Wagner. „Teurer Boden bringt keine preiswerten Wohnungen hervor. Die brauchen wir aber.“
BMV fordert Bodenpreisregulierung
Der Berliner Mieterverein (BMV) spricht sich für weitreichende Regulierungen des Immobilienmarktes aus. „Es kann nicht hingenommen werden, dass nationale und internationale Finanzanleger die Grundstückspreise in deutschen Städten so hochtreiben, dass ein Wohnungsbau durch sozial verpflichtete Unternehmen und mit bezahlbaren Mieten wirtschaftlich unmöglich ist“, heißt es im Leitantrag, den die Delegiertenversammlung im letzten Jahr beschlossen hat. „Der Berliner Senat muss sich umgehend beim Bund für ein planungsrechtliches Instrument zur Steuerung der Bodenpreisentwicklung einsetzen“, fordert der BMV. Berlin solle mit Entwicklungsmaßnahmen, Baugeboten, Sozialwohnungsverpflichtungen und noch kürzeren Befristungen von Baugenehmigungen der Spekulation entgegenwirken. Vom Bund fordert der BMV Rahmenbedingungen, um Bodenpreise zu regulieren und eine gemeinwohlorientierte Bodennutzung zu ermöglichen. „Die Bodenpreise sind von zentraler Bedeutung für die Wohnungspolitik“, so BMV-Geschäftsführer Reiner Wild.
Parteibeschlüsse und Positionspapiere zur Bodenfrage
Bündnis 90/Die Grünen:
https://cms.gruene.de/uploads/documents/Wohnen-Recht-auf-Wohnen-Beschluss-BDK-11-2019.pdf
CDU, FDP und AfD haben keine aktuellen Positionspapiere zur Bodenfrage online veröffentlicht.
Leitantrag „Für eine starke Mietrechtsreform, die Beschränkung des freien Kapitalverkehrs bei Immobilien und Grundstücken sowie für einen Masterplan ‚Berlin 50% gemeinwohlorientiert‘“, beschlossen von der BMV-Delegiertenversammlung am 6. Mai 2019:
www.berliner-mieterverein.de/politik/bmv-forderungen.htm#2019
12.09.2024