Wohnungsbaugenossenschaften haben lange Wartelisten. Viele nehmen keine neuen Mitglieder mehr auf, denn sie können den Bedarf nicht decken. Daran hat auch die Berliner Politik einen Anteil, denn die Genossenschaften benötigen wegen ihrer Bindungen auf dem überhitzten Wohnungsmarkt Unterstützung. Die Förderung für genossenschaftlichen Neubau und zum Erwerb von Genossenschaftsanteilen funktioniert nicht. Immerhin werden die Förderdarlehen für den Bestandserwerb nachgefragt. Die großen alten Genossenschaften, die nicht auf Förderung angewiesen sind, bauen wiederum zu wenig und bekämpfen mitunter sogar mieterfreundliche Politikvorstöße. Was muss sich ändern, damit das Berliner Genossenschaftswesen zu neuer Blüte gelangt?
Den etwa 80 Berliner Wohnungsbaugenossenschaften gehören 11 Prozent des Mietwohnungsbestandes der Stadt. Neben privaten und landeseigenen Unternehmen sind Genossenschaften die dritte Säule der Wohnraumversorgung. Die durchschnittliche Nettokaltmiete ihrer fast 190.000 Wohnungen von 5,70 Euro pro Quadratmeter kommt nicht nur den eigenen Mitgliedern zugute, sondern wirkt über den Mietspiegel auch dämpfend auf das Mietniveau insgesamt. Die Miete heißt bei Genossenschaften Nutzungsentgelt, darin drückt sich ein besonderes soziales Verhältnis aus. Die Bewohnerinnen und Bewohner sind Mitglieder und damit gemeinschaftliche Eigentümer ihrer Genossenschaft.
Es gab mehrere Versuche, Genossenschaften zu fördern. Erinnert sei an die bundesweite Zulassung der Gründung eigentumsorientierter Genossenschaften in den 90er Jahren. Deren Mitglieder konnten die – mittlerweile abgeschaffte – steuerliche Eigenheimzulage für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen nutzen. An den Folgen leiden manche Genossenschaften bis heute, wenn Mitglieder darauf bestehen, ihre Wohnung als privates Eigentum zu erwerben. Erinnert sei auch an das 2001 vollmundig ausgerufene „Jahr der Genossenschaften“ in Berlin. Parallel zur Privatisierung landeseigener Wohnungsgesellschaften wurden Genossenschaften so auskömmlich gefördert, dass sie zu lukrativen Anlageobjekten wurden. Zur Verhinderung von Missbrauch wurde das Programm nach einem Jahr beendet.
Im September 2018 legte der Berliner Senat ein Förderdarlehensprogramm für genossenschaftlichen Neubau und Bestandserwerb auf. Ende November folgte ein Darlehensprogramm zur Finanzierung des Erwerbs von Genossenschaftsanteilen für einkommensschwache Mitglieder. Dessen Förderbedingungen waren jedoch so eng, dass nur wenige Antragstellende zum Zuge kamen. 2020 wurden nur sieben solcher Darlehen für Anteile bewilligt. Ausgereicht werden die Förderdarlehen durch die Investitionsbank Berlin (IBB).
Der quälend lange Weg der Neubauförderung
Im Mai 2020 beantragte die 2017 gegründete Genossenschaft „UCB Blaue Insel eG“ ein Genossenschaftsförderdarlehen. Sie hatte sich im langwierigen und komplizierten Konzeptverfahren um ein Baufeld auf der sogenannten Schöneberger Linse am Bahnhof Südkreuz behauptet. Die Stiftung „trias“ erwarb mit Partnern das Grundstück und schloss einen Erbbaurechtsvertrag für 99 Jahre mit der Genossenschaft ab, die dort 50 Wohnungen errichten möchte, davon 13 im Sozialen Wohnungsbau. Zusätzlich zur verpflichtenden Sozialbindung für 30 Jahre vereinbarte die Genossenschaft eine unbefristete Bindung im Erbbaurechtsvertrag.
Die Kreditverhandlungen mit der IBB über insgesamt 1,3 Millionen Euro aus der Neubauförderung für Genossenschaften und dem damit verbundenen Kredit aus dem Neubaufonds für Sozialwohnungen ziehen sich bis heute hin. Probleme macht vor allem die verpflichtende Finanzierung aus dem Neubaufonds, denn die sieht vor, dass die geförderten Wohnungen nicht mit den wirtschaftlichen Risiken der ungeförderten Wohnungen belastet werden sollen. Darum wird eine Aufteilung in Wohneinheiten und Teilung des Grundbuchs verlangt, so wie es sonst nur bei Eigentumswohnungen der Fall ist. „Diese Aufteilung ist aus meiner Sicht wohnungspolitisch und wirtschaftlich unsinnig: Sie ist teuer, reine Geldvernichtung, erhöht die Wohnkosten und schafft erhebliche Risiken“, kritisiert Vorstandsfrau Clarissa Neher. Aufsichtsrätin Josefine Kaiser ergänzt: „Es war unklar, wie viel überhaupt gefördert wird. Und: Wir sollen Sicherheiten bringen, am besten andere Grundstücke, aber die haben wir nicht.“ Zuletzt sei es darum gegangen, welche Darlehen in welchem Grundbuch an welche Rangstelle kommen. Einige Leute seien schon wieder ausgestiegen. „Wir versuchen so günstig wie möglich zu bauen“, betont Neher, „aber diese Steine im Weg machen es immer teurer.“
Mitglieder der Blauen Insel müssen pro Quadratmeter Wohnfläche eine Einlage von 615 Euro einzahlen. Die Sozialwohnungen der Blauen Insel übernehmen soziale Träger, nur so können auch Einkommensschwache eine Genossenschaftswohnung beziehen. Auf Anraten ihrer Hausbank hat die Genossenschaft jetzt angefangen zu bauen, denn die Fördermittel sind zugesagt. Zum Redaktionsschluss des MieterMagazins Mitte Oktober lag die Bewilligung jedoch noch nicht vor.
Ohne Förderung ist es bei den derzeitigen Marktbedingungen nahezu unmöglich, leistbaren Wohnraum neu zu errichten. Bei der 2009 gegründeten Genossenschaft Möckernkiez, die ohne Förderung gebaut hat, muss beispielsweise eine Einlage von 920 Euro pro Quadratmeter geleistet werden, und die Wohnungen kosten durchschnittlich pro Quadratmeter über 11 Euro nettokalt. Eineinhalb Jahre ruhte die Baustelle, bevor die 470 Wohnungen 2018 bezugsfertig waren.
Mit der Genossenschaftsförderung wollte die Senatsverwaltung auch Baugrundstücke zur Verfügung stellen. Zur Vergabe fällt mitunter der Begriff „Resterampe“. Jüngere Genossenschaften würden gerne bauen, aber die Unterstützung greift nicht. Der Senat vergibt Grundstücke nur noch im Erbbaurecht, die Zinsen sind teurer als Bankkredite. Für die finanziell stärkeren Traditionsgenossenschaften sei Bauen „ein Randthema, weil sich die meisten von der ursprünglichen Selbsthilfe-Idee verabschiedet haben“, sagt Jochen Hucke, der bisherige Genossenschaftsbeauftragte des Senats. Sie müssten daran erinnert werden, dass sie „eine Mitverantwortung für die Weiterentwicklung der Stadtgesellschaft geerbt haben.“
Seit Jahren immer weniger Neubauten
So würden seit Jahren immer weniger Neubauten von Genossenschaften in Berlin fertiggestellt. Zu den wenigen zähle ein Projekt der Wohnungsgenossenschaft Lichtenberg eG (WGLi). Auf einem Grundstück, das sie vor einigen Jahren vom Liegenschaftsfonds erworben hatte, errichtete sie das 2020 bezugsfertig gewordene Projekt „Wohnen am LichtGarten“ mit 107 Wohnungen. Nach Auskunft der Genossenschaft beträgt die durchschnittliche Nettokaltmiete 10,23 Euro pro Quadratmeter. Die Einlage ist mit 160 Euro pro angefangenen fünf Quadratmetern äußerst moderat.
Hucke hat 2016 gemeinsam mit dem Vorstand der Genossenschaft Am Ostseeplatz, Richard Schmitz, und dem Immobilienentwickler Thomas Bestgen (UTB) die Genossenschaft BeGeno16 gegründet. Sie versteht sich als „Social Business“, möchte neue Stadtquartiere bauen und gleichzeitig Anlegern „sichere, attraktive und sozial verantwortliche Anlagemöglichkeiten“ bieten. Mit privatem Kapital wurde 2019 das erste Neubauprojekt, „Quartier Wir“ in Weißensee fertiggestellt.
Die Einlage beträgt 500 Euro pro Quadratmeter, das nettokalte Nutzungsentgelt 11 Euro. Damit auch Geflüchtete einziehen können, haben Unterstützerinnen und Unterstützer die Einlagen als Darlehen aufgebracht. Auch einige soziale Träger sind eingezogen. Allerdings sind die wohnenden Mitglieder in der BeGeno16 investierende Genossen ohne Stimmrecht, nur die Projektentwickler sind entscheidungsberechtigt. Damit soll gewährleistet werden, „dass der Gründungszweck und der weitere Bau von bezahlbaren Wohnungen nicht gefährdet wird.“ Mit genossenschaftlicher Demokratie hat das allerdings nichts zu tun.
Nur der Bestandserwerb funktioniert
Das einzige, was funktioniert, ist die Förderung des Erwerbs von Häusern in Milieuschutzgebieten, wenn die Bezirke ihr Vorkaufsrecht zugunsten einer Genossenschaft ausüben. So wie im August 2019 für die drei Häuser mit 36 Wohnungen in der Schöneberger Gleditschstraße 39/41/43. Die DIESE eG übernahm sie für 11,3 Millionen Euro. Zur Finanzierung erhielt sie 10 Prozent des Kaufpreises als Landeszuschuss. Das Förderdarlehen der IBB in Höhe von 7,9 Millionen Euro wird in diesem Fall erst 2024 ausgezahlt, wenn die derzeitige Sozialbindung ausläuft, und muss zwischenfinanziert werden. DIESE eG braucht 10 Prozent Eigenkapital, mindestens 70 Prozent der Mieterinnen und Mieter sollen Mitglied werden.
Bisher haben jedoch erst 9 von 26 Mitgliedern ihre Einlagen von 500 Euro pro Quadratmeter eingezahlt. „Selbstverständlich sind nicht alle Mieterinnen und Mieter der Häuser in der Lage, die Anteile in vollem Umfang zu bezahlen, zum Beispiel weil sie Transferleistungen beziehen oder einfach keinen Kredit der IBB zum Erwerb von Anteilen erhalten“, sagt Jonas Eibl, der in einem der Vorkaufshäuser wohnt und zum Geschäftsführungskreis der DIESE eG gehört. Er betont, die Genossenschaft wollte „die Berliner Mischung in den Häusern bewahren“. Die Genossenschaft sei kein Projekt für Gutverdiener: „Die Preise orientieren sich an den Realitäten, die aktuell beim bezirklichen Vorkauf gelten und den überhöhten Immobilienpreisen.“ DIESE eG sei „nicht die einzige und beste Lösung für Mieter, aber in der Regel die Letzte“.
Die Genossenschaftsförderung wirkt nicht, wie sie soll, und wo Genossenschaften trotzdem Wohnraum schaffen, sind meist hohe Einlagen und Nutzungsentgelte unausweichlich. Was müsste sich ändern, um Abhilfe zu schaffen?
Das 2017 gegründete Bündnis Junge Genossenschaften hat 35 Mitglieder, die nach eigenem Bekunden „einen Beitrag für eine nachhaltige, durchmischte und solidarische Stadt leisten“. Sie haben ein Papier mit Forderungen zur Verbesserung der Baulandvergabe und Neubauförderung vorgelegt. Fördermittel sollen über eine Förderinstitution vergeben werden statt über eine Bank. Ihre wichtigste Forderung: „Schenkt den Genossenschaften Vertrauen!“ Auf die Frage, wie das gemeint sei, erläutert Bündnissprecher Ulf Heitmann: „Politik hat nach unserer Erfahrung enorme Probleme, die Besonderheiten der Rechtsform Genossenschaft zu verstehen. Es scheint schwer verständlich zu sein, dass wir selbstbestimmt, selbstorganisiert und privatrechtlich sind und kein zu dirigierendes Instrument der Wohnungswirtschaft.“ Es sei ein Alarmzeichen, „dass keine einzige Genossenschaftswohnung mit und wegen der Berliner Wohnungsbauförderungsbestimmungen fertig gestellt wurde“. Heitmann empfiehlt, personelle und institutionelle Ressourcen realistisch einzuschätzen und die mit der Umsetzung politischer Inhalte beschäftigen Kolleginnen und Kollegen der Verwaltung „mitzunehmen“, zu motivieren.
Jochen Hucke schlägt vor, „die ‚Kümmerer und Kümmerinnen‘ für die gemeinwohlorientierte Immobilienwirtschaft innerhalb der Verwaltung personell stärker aufzustellen und/oder eine ressortübergreifende Projektgruppe der Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung und Wohnen, Finanzen und Wirtschaft“ zu bilden. Er sieht auch Probleme in der „Zuständigkeitsverteilung zwischen Hauptverwaltung und Bezirken“ und einer „starken Verselbstständigung der IBB und der BIM (Berliner Immobilienmanagement GmbH)“, die landeseigene Grundstücke verwaltet. Liegenschaftspolitik müsse nicht nur der Bezeichnung nach, sondern auch tatsächlich transparent sein.Der neue Senat solle „jetzt gleich am Anfang einen Gesamtbestand von Grundstücken benennen, die er im Erbbaurecht an gemeinwohlorientierte Träger – für Wohnen und für Mischnutzungen Wohnen / Gewerbe / soziale Infrastruktur / Ateliers – vergeben möchte“, auch um übermäßig aufwendige Konzeptverfahren zu minimieren.
Dem Senat rät er, bei künftigen Entwicklungen und insbesondere bei Standorten mit schwierigen Nachbarschaftssituationen verstärkt die partizipativen Potenziale der Stadtgesellschaften zu nutzen und nicht erst immer alles alleine machen zu wollen. Wichtig sei auch eine Bewertung von Grundstücken auf der Grundlage leistbarer Nutzungsentgelte statt maximaler Erträge und der Aufbau von „Unterstützungsstrukturen für gemeinwohlorientierte Immobilienentwicklungen aus der Mitte der Stadtgesellschaft.“
Änderungsvorschläge liegen auf dem Tisch
Ein Netzwerk von stadtpolitischen Initiativen fordert im „Mietenpolitischen Dossier”, die Höhe der Genossenschaftsförderung für dauerhaft günstigen Wohnraum dem Bedarf anzupassen. Wenn Mitglieder kein Darlehen für ihren Genossenschaftsanteil bekommen, soll die Genossenschaft das Förderdarlehen bekommen, und den 25-prozentigen Tilgungsanteil als Eigenkapitalzuschuss, damit sich alle beteiligen können. Es sollen nicht nur Genossenschaften gefördert werden, sondern gemeinwirtschaftlich und demokratisch verfasste Akteure unabhängig von der Rechtsform. So käme beispielsweise auch das „Mietshäuser Syndikat“ zum Zug, das nach genossenschaftlichen Prinzipien wirtschaftet, aber aus GmbHs und Vereinen besteht. Dort gibt es keine Zugangsbarrieren, finanzielle Einlagen sind nicht erforderlich, stattdessen werden Direktkredite aus dem Umfeld eingeworben.
Marleen Thürling promoviert am Institut für Genossenschaftswesen der HU Berlin und hat bis April 2020 für das Genossenschaftsforum in Berlin gearbeitet. Sie bezeichnet Genossenschaften als „Möglichkeitsraum“, in dem „Partizipation und Mitbestimmung für eine zukunftsfähige Entwicklung enorm wichtig“ sind: „Häufig entstehen so auch Gemeinschaftsangebote, die über die Genossenschaft hinaus in den Stadtteil ausstrahlen.“ Auch „für neue Wohnformen, an der Berührungsfläche von Stadt und Land“ sei die Genossenschaft ein gut erprobtes Modell. Jedoch brauche diese genossenschaftliche Selbsthilfe unter Marktbedingungen immer Unterstützung, um ihrem sozialen Versorgungsauftrag nachkommen zu können. „Das lehrt auch die Geschichte“, betont Thürling. Dem pflichtet der Berliner Mieterverein (BMV) bei. „Allerdings müssen sich Genossenschaften mehr öffnen und noch stärker Gemeinwohl-Aufgaben lösen helfen“, so BMV-Geschäftsführer Reiner Wild.
Für den Berliner Genossenschaftssektor ist auch die Bundespolitik gefragt. Die oft geforderte Wiedereinführung der steuerlichen Wohngemeinnützigkeit käme auch Genossenschaften zugute. Viele sind zwar steuerbefreit, aber nur, solange sie mindestens 90 Prozent ihrer Einkünfte aus der Vermietung von Wohnraum an Mitglieder erzielen. Dieser Steuervorteil gerät dann in Gefahr, wenn sie beispielsweise größere Quartiere mit höherem Gewerbeanteil errichten oder Häuser übernehmen, deren Bewohner nicht alle Mitglied werden möchten.
Mehr Genossenschaftswohnungen und eine stärkere Vielfalt der Bewohnerschaft wird sich nur durch bessere Kooperation von Politik und Verwaltung mit genossenschaftlichen Akteuren und Initiativen der Stadtgesellschaft erreichen lassen.
Elisabeth Voß
Transparenzhinweis der Redaktion:
Als Fachfrau für Genossenschaften hat die Autorin für den Verein „Netz für Selbstverwaltung und Kooperation Berlin-Brandenburg“, dessen Vorstand sie angehört, am Genossenschaftsteil des „Mietenpolitischen Dossiers“ mitgearbeitet.
Die zwei Stränge der Berliner Genossenschaftsförderung
2018 hat der Berliner Senat ein Förderprogramm für Genossenschaften aufgelegt, das über die Investitionsbank Berlin (IBB) abgewickelt wird. Das Programm hat zwei Förderstränge. Zum einen die Objektförderung, mit der sowohl genossenschaftlicher Neubau als auch der Erwerb von Wohnimmobilien gefördert werden. Zum anderen die Subjektförderung, die den Erwerb von Genossenschaftsanteilen durch Mitglieder fördert. Beides soll dazu dienen, das Genossenschaftswesen zu stärken und „preiswerten Wohnraum für Haushalte mit geringen Einkommen bereitzustellen“. Die Förderungen erfolgen durch zinsfreie Darlehen.
Die Neubauförderung sieht ein zinsloses Darlehen von maximal 21.000 Euro pro neu geschaffener Wohnung vor, sofern das Bauvorhaben ohne diese Förderung nicht durchführbar wäre. Bedingung ist, dass die Genossenschaft für mindestens 30 Prozent der Wohnungen auch eine Förderung aus dem IBB-Wohnungsneubaufonds in Anspruch nimmt. Diese Förderung, bei der die Bank auf 25 Prozent der Tilgung verzichtet, ist an Belegungsbindungen und eine Begrenzung der Miethöhe für die geförderten Wohnungen für maximal 30 Jahre gebunden.
Wenn Genossenschaften Bestandsgebäude erwerben, oder wenn Mieterinnen und Mieter eine Genossenschaft neu gründen, um von ihnen bewohnte Gebäude zu erwerben, dann können sie dafür zinsfreie Darlehen in individuell zu vereinbarender Höhe bekommen. Auch hier sind Belegungsbindungen und Begrenzungen der Miethöhe für mindestens 25 Prozent der Wohnungen auf 30 Jahre verpflichtend. Wenn Häuser im Rahmen des bezirklichen Vorkaufsrechts in Milieuschutzgebieten erworben werden, können zusätzlich Senatszuschüsse aus SIWANA-Mitteln beantragt werden, die weitere Bindungen mit sich bringen.
Mieter, die das Geld für die oft hohen Genossenschaftseinlagen nicht selbst aufbringen können und einen Wohnberechtigungsschein haben, können ein zinsloses Darlehen von bis zu 50.000 Euro für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen bekommen. Dieses Darlehen hat eine Laufzeit von maximal 20 Jahren, die Rückzahlung beginnt spätestens nach fünf Jahren. Nach Rückzahlung von 75 Prozent des Darlehensbetrages wird auf die Rückzahlung der restlichen 25 Prozent verzichtet, wenn zu dem Zeitpunkt noch ein Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein vorhanden ist.
ev
Zurück zu den solidarischen Wurzeln
Die Genossenschaft ist ein ausgezeichnetes Modell für selbstverwaltetes Wohnen ohne Profitstreben. Mit ihren 190.000 Wohnungen in Berlin könnten die Wohnungsgenossenschaften eine gewichtige Rolle auf dem Wohnungsmarkt spielen. Doch die Realität sieht leider anders aus. Die Mieten sind nicht selten höher, als es für die reine Wohnungsbewirtschaftung nötig wäre. Besonders in den größeren, älteren Genossenschaften sind die Strukturen häufig verknöchert und die demokratische Mitbestimmung eingeschlafen.
Viele Genossenschaftsvorstände sehen ihre Unternehmen als Teil der kommerziellen Wohnungswirtschaft und heulen mit den Wölfen, wenn die Immobilienlobby Front gegen Mietpreisbegrenzungen oder Vergesellschaftungen macht. Woran das liegt, hat die kritische Initiative „Die Genossenschafter*innen“ analysiert. In ihrer von der Rosa-Luxemburg-Stiftung herausgegebenen Broschüre zeigen sie auch Wege auf, wie engagierte Mitglieder ihre Genossenschaft zu einer sozialeren Wohnungsbewirtschaftung bewegen können: den Geschäftsbericht lesen, auf der Generalversammlung Fragen stellen, dem Vorstand Gegenvorschläge machen, sich mit Mitgenossen zusammenschließen und sich in den Aufsichtsrat wählen lassen.
js
www.rosalux.de/publikation/id/44677/
Zahlen und Fakten
Anzahl der Mietwohnungen in Berlin 2019
Mietwohnungen gesamt: 1.658.300
davon privatwirtschaftliche Unternehmen: 1.146.441
davon Landeseigene Wohnungsunternehmen: 322.493
davon Genossenschaften: 189.366
aus: IBB Wohnungsmarktbericht 2020, erschienen 3/2021
Durchschnittliche Bestandsmieten nettokalt im Dezember 2020
Gesamt: 6,20 Euro
Genossenschaften: 5,70 Euro
aus: BBU Jahresstatistik 2020, erschienen 9/2021
Wohnungsbestand der fünf größten Berliner Wohnungsgenossenschaften 2018/19
Wohnungsgenossenschaft Lichtenberg eG: 10.242
Beamten-Wohnungs-Verein zu Berlin eG: 7.212
bbg Berliner Baugenossenschaft eG: 7.026
Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892: eG 6.860
Charlottenburger Baugenossenschaft eG: 6.667
Redaktionsgruppe Die Genossenschafter*innen: Selbstverwaltet und solidarisch wohnen, erschienen 7/2021
Durchschnittliche Angebotsmieten 2020
Gesamt: 10,14 Euro
Private: 11,25 Euro
Landeseigene: 6,27 Euro
Genossenschaften: 6,97 Euro
aus: IBB Wohnungsmarktbericht 2020, erschienen 3/2021
Wohnungsbestand der Mitgliedsunternehmen im BBU am 1. Juni 2021
Wohnungsbestand Gesellschaften im BBU: 798.303
davon in Berlin: 725.696
davon in Genossenschaften: 186.657
aus: BBU Jahresstatistik 2020, erschienen 9/2021
Genossenschaftsförderung in Berlin: Insgesamt 19 Finanzierungszusagen (22 Anträge)
2019: 22,0 Mio. Euro
2020: 16,9 Mio. Euro
2021: noch keine Zahlen vorliegend
Auskunft der IBB 10/2021
21.11.2021