Seit über zehn Jahren wird in Berlin über eine Neuausrichtung der Liegenschaftspolitik geredet – lange Zeit jedoch folgenlos: Landeseigene Grundstücke wurden weiterhin verkauft. Mittlerweile gibt es aber tatsächlich neue Ansätze der Liegenschaftsbewirtschaftung.
Wohnraum ist knapp. Der Bau neuer Wohnungen ist dringend geboten, doch Bauland ist kaum verfügbar und zu teuer, um die vordringlich benötigten preiswerten Wohnungen zu bauen. Immerhin hat das Land Berlin noch eigene Flächen, die es dafür nutzbar machen kann.
Noch bis 2013 – die Wohnungsnot war da schon deutlich sichtbar – hat Berlin landeseigene Grundstücke an die Höchstbietenden verkauft. Initiativen wie „Stadt Neudenken“ und der Runde Tisch zur Liegenschaftspolitik haben eine Kehrtwende eingefordert. Seither wurden ausgewählte Grundstücke nach dem Konzeptverfahren zum Festpreis vergeben: So bekamen etwa rund um den ehemaligen Blumengroßmarkt in Kreuzberg die Bewerber mit dem besten Nutzungskonzept den Zuschlag. Vor allem aber wurden landeseigene Bauflächen an die städtischen Wohnungsunternehmen übergeben, damit diese dort Wohnungen bauen. Bis Ende 2017 haben diese insgesamt 156 Grundstücke erhalten.
Alle 5700 landeseigenen Liegenschaften durchlaufen den Prozess der „Clusterung“: Jedes einzelne Grundstück der öffentlichen Hand wird vom Land, den Bezirken und Fachverwaltungen darauf geprüft, ob es für bestimmte Zwecke gebraucht wird. Verkauft wird kein Grundstück mehr. Es kommt allenfalls eine Vergabe in Erbpacht in Frage. Berlin baut seinen Grundbesitz sogar aus. Über den Ankauf von Wohnungsbeständen und die Nutzung von Vorkaufsrechten will der Finanzsenator einen strategischen Bodenfonds aufbauen. Der Senat hat dazu Anfang 2018 einen Ankauffonds in Höhe von 150 Millionen Euro aufgelegt. „Ziel ist es, langfristig eine Flächenreserve für das Land zu sichern, um Verwaltungen in landeseigenen Immobilien unterzubringen und den kommunalen Grundbesitz für Infrastruktur, soziales Wohnen, Kultur und Gewerbe zu vermehren“, sagt Finanzsenator Matthias Kollatz.
Zwei Pilotprojekte für eine gemeinwohlorientierte Entwicklung können das Haus der Statistik in Mitte und das Dragonerareal in Kreuzberg sein – beides Flächen, die die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) zunächst gewinnbringend verkaufen wollte, dann aber an das Land Berlin abgegeben hat.
Berlin hat zwar verhältnismäßig viele öffentliche Liegenschaften. Aber ohne private Grundstücke ist die Wohnungsnot nicht zu beseitigen. Hier blüht jedoch die Spekulation. Baureife Flächen werden in der Hoffnung auf weitere Preissteigerungen zurückgehalten. „Aus meiner Sicht ist es besonders wichtig, nicht andere den Berliner Boden vergolden zu lassen, sondern die Bodennutzung gemeinwohlorientiert auszurichten“, sagt Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher.
Taskforce soll Neubau beschleunigen
Der Senat hat eine „Taskforce“ gebildet, die sich um die schnellere Entwicklung der großen Neubaustandorte kümmert, und hat auf einem Supermarktgipfel Discounterketten dazu gebracht, mehrere ihrer Grundstücke auch für den Wohnungsbau zu nutzen. Außerdem hat er die Gültigkeitsdauer von Baugenehmigungen verkürzt, um das Horten von baureifen Grundstücken zu erschweren. Die meisten Stellschrauben sind jedoch in der Hand des Bundes. Bei der angekündigten Reform der Grundsteuer wird aber der bestehende steuerliche Anreiz zum Liegenlassen von Brachgrundstücken nicht beseitigt. Völlig unzureichend sind auch die Neuregelungen zu den Share Deals, bei denen die Grunderwerbsteuer umgangen wird, indem statt Immobilien Geschäftsanteile verkauft werden. Auch mit den jüngsten Änderungen des Mietrechts können Eigentümer weiter auf starke Mietsteigerungen spekulieren und gewinnbringend mit Häusern und Grundstücken handeln.
Jens Sethmann
Community Land Trust – ein Modell
Ein neues kollektives Eigentumsmodell ist der „Community Land Trust“ (CLT) aus Großbritannien und den USA. Dabei wird das Eigentum am Boden und an den Gebäuden voneinander getrennt. Ähnlich wie beim Erbbaurecht wird der Boden in der Regel für 99 Jahre verpachtet, und die Nutzer können darauf eigene Gebäude errichten. CLTs haben aber ein Selbstverwaltungsgremium, in dem nicht nur die Bewohner und Nutzer sitzen, sondern auch je zu einem Drittel Nachbarn und die kommunale Verwaltung vertreten sind. Damit wird gesichert, dass die Immobilie im Sinne der Nachbarschaft und der Allgemeinheit bewirtschaftet wird. Florian Schmidt, Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, hat eine Machbarkeitsstudie zu CLTs in Auftrag gegeben.
js
10.07.2019