In der Theorie ist die Sache einfach: Wenn die Heizung nicht funktioniert, die Fenster undicht sind oder sonstige Schäden auftreten, ist der Vermieter verpflichtet, diese zu beheben. Das gilt auch bei Mängeln außerhalb der Wohnung, etwa einem verwahrlosten Treppenhaus oder Ratten im Keller. Mieter haben einen gesetzlichen Anspruch darauf, dass der Vermieter Haus und Wohnung in Schuss hält – dafür zahlt man schließlich Miete. Die Praxis sieht freilich anders aus. Oft ist es alles andere als einfach, das Recht auf die mängelfreie Wohnung auch durchzusetzen.
Wenn es nur um einen verstopften Abfluss oder eine defekte WC-Spülung geht, lässt sich das Problem relativ einfach lösen. Reagiert der Vermieter auf die schriftlichen (!) Mängelanzeige mit Fristsetzung nicht, kann man selber einen Handwerker beauftragen und sich die Kosten vom Vermieter ersetzen lassen. Notfalls zieht man den Betrag von der nächsten Miete ab. Dieses Selbstbeseitigungsrecht kann auch nicht vertraglich ausgeschlossen werden. Man muss allerdings darauf achten, nur das Nötigste reparieren zu lassen. Wer gleich beim Tischler neue Fenster bestellt, statt die alten abdichten zu lassen, bleibt höchstwahrscheinlich auf einem Teil der Auslagen sitzen. Denn der Vermieter muss nur die „erforderlichen Aufwendungen“ ersetzen, das heißt die Kosten, die notwendig sind, um den Mangel zu beseitigen.
Doch was ist zu tun, wenn es um größere Reparaturen geht? Nur die wenigsten Mieter sind in der Lage, Tausende von Euro aus eigener Tasche vorzustrecken. Ein Mitglied des Berliner Mietervereins (BMV) sah allerdings darin die einzige mögliche Lösung.
Kurze Zeit, nachdem er die Ankündigung einer Mieterhöhung bekommen hatte, ging die Gastherme in seiner Wohnung kaputt. Da es für das 30 Jahre alte Modell keine Ersatzteile mehr gab, war ein neues Gerät erforderlich. Doch die Hausverwaltung weigerte sich, das Gerät zu beschaffen. „Mir wurde gesagt, wenn ich mich mit der Mieterhöhung einverstanden erkläre, würden sie mir sofort eine neue Therme einbauen„, berichtet der Mieter. Im Grunde: eine glatte Erpressung. Monatelang zog sich der Streit hin. Schließlich ging der Eigentümer pleite, die Hausverwaltung warf das Handtuch und der Mieter hatte gar keinen Ansprechpartner mehr. Seine Wohnung sollte zwangsversteigert werden. In dieser Situation entschied sich der Mieter, auf eigene Kosten eine gebrauchte Therme einbauen zu lassen: „Sonst wäre ich weiter ohne Warmwasser und in der bald einsetzenden Heizperiode auch ohne Heizung gewesen.“
Die Rechtslage ist eindeutig
Dass eine notwendige Reparatur als Druckmittel benutzt wird, kommt nicht selten vor. In einem anderen Fall sollte ein Mitglied des BMV mehr Miete zahlen, nur weil der Vermieter die uralte, schadhafte Badewanne gegen eine neue ausgetauscht hatte. Doch das ist nicht zulässig. Das Gesetz ist hier eindeutig. Nach Paragraph 535 des Bürgerlichen Gesetzbuches muss der Vermieter dem Mieter die Wohnung in einem ordnungsgemäßen und fehlerfreien Zustand überlassen und während der Mietzeit so erhalten. Treten Fehler und Mängel auf, muss der Vermieter sie beseitigen. Im Unterschied zu Modernisierungen sind Instandsetzungsmaßnahmen keine Wertverbesserung, sondern schlicht notwendig, damit die Wohnung in einem bewohnbaren und somit vertragsgemäßen Zustand bleibt.
Ausnahmen gelten lediglich, wenn der Mangel bereits bei Einzug vorhanden war. Wer beispielsweise in eine „Bruchbude“ mit marodem Treppenhaus und zugigen Fenstern zieht, kann ein halbes Jahr später nicht verlangen, dass alles in Ordnung gebracht wird. Wenn jedoch fünf Jahre später immer noch nichts passiert ist, sieht die Sache schon anders aus. „Kann man nachweisen, dass sich der Zustand verschlechtert hat, hat man auch wieder einen Anspruch auf Mängelbeseitigung und Mietminderung, allerdings nicht über den Standard, der bei Vertragsabschluss galt“, erklärt BMV-Rechtsexperte Frank Maciejewski.
Gerade bei längeren Mietverhältnissen können Mieter verlangen, dass abgenutzte Waschbecken ersetzt werden oder Fensterrahmen von außen gestrichen werden.
Minderung ist eine heikle Sache
Eine häufig genutzte Möglichkeit, auf einen untätigen Vermieter Druck auszuüben, ist die Mietminderung. Weniger Miete zu zahlen, ist aber definitiv nicht das beste Mittel, um einem Vermieter Beine zu machen. Dazu sind die Minderungsbeträge meist zu gering, vor allem große Wohnungsunternehmen lassen Mietminderungen völlig kalt. Problematisch ist auch, dass viele Mieter die Möglichkeiten der Mietkürzung überschätzen. Allgemein gültige Richtlinien gibt es nicht, Gerichtsurteile beziehen sich lediglich auf den Einzelfall. Dennoch orientieren sich viele Mieter an irgendwelchen pauschalen Tabellen aus dem Internet oder an Urteilen von Amtsgerichten, die mit dem eigenen Fall häufig nicht vergleichbar sind. Das Problem: Wer völlig überzogen mindert, geht ein hohes Risiko ein. Schon ein Zahlungsrückstand von etwas mehr als einer Monatsmiete berechtigt den Vermieter zur ordentlichen Kündigung. Kommt das Gericht zu der Überzeugung, dass die Minderungsquote viel zu hoch angesetzt war, kann man seine Wohnung verlieren. Beim Berliner Mieterverein rät man daher zur Vorsicht bei Mietminderungen, vor allem sollte man sie immer in der Rechtsberatung abklären. Rechtzeitig vor Erreichen eines kündigungsrelevanten Rückstandes sollte eine rechtliche Klärung herbeigeführt werden, entweder durch Einigung mit dem Vermieter oder – falls dies nicht möglich ist – durch Erhebung einer Feststellungsklage. Möglich ist es auch, den geminderten Betrag unter Vorbehalt zu zahlen.
Ein weiteres Druckmittel ist das Zurückbehaltungsrecht. Dabei hält man – zusätzlich zur Mietminderung – den drei- bis fünffachen Minderungsbetrag ein. Im Extremfall muss man also gar keine Miete mehr zahlen. Allerdings muss der zurückbehaltene Betrag, anders als die Mietminderung, nach erfolgter Mängelbeseitigung nachgezahlt werden. Auch hier gilt: Allzu lange sollte man das nicht machen. Wenn sich der Vermieter nach drei oder vier Monaten immer noch nicht rührt, ist es sinnvoll, eine Klage auf Mängelbeseitigung einzuleiten.
Die Instrumente werden nicht genutzt
Die Gründe, warum manche Vermieter ihr Eigentum so vernachlässigen, sind verschieden. Tummeln sich plötzlich die Ratten im Hof oder wird die Treppenreinigung nicht mehr durchgeführt, kann das auf eine Insolvenz oder einen bevorstehenden Eigentümerwechsel hindeuten. Manchmal stecken auch Entmietungsabsichten dahinter, wenn am Haus gar nichts mehr gemacht wird und die Bausubstanz zusehends verfällt.
Grundsätzlich kann man bei gravierenden Mängeln auch die Bau- und Wohnungsaufsicht des Bezirks einschalten. Allzuviel sollte man sich aber davon nicht versprechen. Die Damen und Herren erscheinen zwar meist zur Ortsbegehung, zeigen sich aber ansonsten ausgesprochen träge. „Oft setzen sie dem Vermieter sehr lange Fristen zur Mängelbeseitigung, und nur selten treten sie in Ersatzvornahme“, berichtet der Leiter der BMV-Rechtsabteilung, Stefan Schetschorke. Eigentlich steht der Wohnungsaufsicht ein umfangreiches Instrumentarium zur Verfügung, um den Vermieter auf Trab zu bringen. Neben der Verhängung von Zwangsgeldern kann die Behörde auch in Vorleistung treten, beispielsweise Heizöl bestellen oder Feuchtigkeitsschäden beseitigen. Das ausgelegte Geld kann sie sich dann vom Eigentümer zurückholen. Doch in der Praxis kommt das nur selten vor. Am ehesten wird bei gesundheitsgefährdenden Missständen durchgegriffen, etwa Ungezieferbefall oder auch bei extremen baulichen Schäden, etwa einem absturzgefährdeten Balkon. Viele betroffene Mieter haben daher den Eindruck, dass die Mitarbeiter der Bau- und Wohnungsaufsicht grundsätzlich aufseiten des Vermieters stehen. Doch es schadet nicht, sich bei der Wohnungsaufsicht Unterstützung zu holen – zusätzlich zum mietrechtlichen Vorgehen.
Der Schimmel kennt meist zwei Seiten
Hilft das alles nichts, bleibt als letztes Mittel nur die Klage auf Mängelbeseitigung. Wenn von anwaltlicher Seite alles richtig gemacht wird, sind solche Klagen meistens erfolgversprechend. Zu beachten ist allerdings: Die Rechtsschutzversicherung des Berliner Mietervereins übernimmt die Kosten nur für den Fall, dass der Mangel erst drei Monate nach Beginn der Mitgliedschaft entstanden ist.
Problematisches und häufig strittiges Thema in Sachen Mängelbeseitigung ist der Schimmelbefall einer Wohnung. Nachzuweisen, dass er bauliche Ursachen hat, ist schwieriger, als sich das manche Mieter vorstellen.
Gerade bei Schimmel kommt es auch häufig vor, dass der Vermieter etwas unternimmt, aber eben schlampig oder nicht fachgerecht. Rechtsberater Schetschorke: „Man kann dem Vermieter leider nicht vorschreiben, dass er eine Fachfirma nimmt oder den Schaden mit einer bestimmten Methode behebt.“ Kommt der Schimmel wieder, muss man den Mangel erneut anzeigen und das Ganze beginnt von vorne.
Ob man hinnehmen muss, dass im Rahmen von Reparaturen Veränderungen an der Mietsache vorgenommen werden, hängt vom Einzelfall ab. So ist es in der Rechtsprechung umstritten, ob ein defekter Gasherd durch einen Elektroherd ausgetauscht werden darf. Manche Gerichte sagen: Herd ist Herd. Anders wäre es, wenn der Gasherd explizit im Mietvertrag aufgeführt ist. Die Juristen sprechen hier von einer „Soll-Beschaffenheit“. Grundsätzlich muss aber wieder der gleiche Standard hergestellt werden. Wenn beispielsweise eine schöne Altbautür durch einen Feuchtigkeitsschaden unbrauchbar geworden ist, muss der Vermieter nach Möglichkeit eine vergleichbare Tür einsetzen.
Birgit Leiß
Musterschreiben:
So melden Sie einen Wohnungsmangel Ihrem Vermieter
- Mängelanzeige an Vermieter oder Verwalter
Mit diesem Musterschreiben setzen Sie Ihren Vermieter/Verwalter über die Mängel in Ihrer Wohnung in Kenntnis und fordern ihn zur Beseitigung der Mängel auf. - Mängelanzeige mit Fristsetzung – Erklärung der Vorbehaltszahlung
Mit diesem Musterschreiben setzen Sie Ihren Vermieter/Verwalter über die Mängel in Ihrer Wohnung in Kenntnis und fordern ihn unter Fristsetzung zur Beseitigung der Mängel auf. Für den Fall, dass der Termin verstreichen sollte, kündigen Sie eine Ersatzvornahme an und erklären die Zahlung Ihre Miete unter Vorbehalt. - Mängelanzeige – Letzte Mahnung
Mit diesem Musterschreiben setzen Sie Ihren Vermieter/Verwalter eine letzte Frist zur Mängelbeseitigung in Ihrer Wohnung. - Weitere Musterschreiben zur Kommunikation mit Ihrem Vermieter
Mittels zweier mietvertraglicher Regelungen können Vermieter ihre Instandhaltungspflichten teilweise auf die Mieter abwälzen. Zum einen steht mittlerweile in vielen Mietverträgen, dass der Mieter die Kosten für kleinere Reparaturen selber trägt. Doch zahlen muss man nur dann, wenn die sogenannte Kleinreparaturklausel wirksam formuliert wurde. So muss eine Höchstgrenze pro Reparatur genannt sein – nach der Rechtsprechung sind das 100 bis 120 Euro. Ein Beispiel: Kostet die Schadensbeseitigung 140 Euro und ist im Vertrag eine Höchstbelastung von 120 Euro genannt, muss man gar nichts zahlen. Es handelt sich dann nämlich nicht um eine Kleinreparatur. Außerdem muss im Mietvertrag eine Begrenzung für einen bestimmten Zeitraum – meist ein Jahr – festgelegt sein. Sechs bis acht Prozent der Jahresnettomiete dürfen nicht überschritten werden. Und schließlich darf sich die Reparatur nur auf solche Gegenstände beschränken, die dem häufigen und direkten Zugriff des Mieters ausgesetzt sind, etwa Steckdosen, Türklinken oder Duschköpfe, nicht aber Elektroleitungen oder Wasserrohre.
Aber auch wenn die Klausel gültig ist, heißt das nicht, dass man sich selber um die Reparatur kümmern muss. Der Vermieter muss die Firma bestellen und kann den Mieter später zur Kasse bitten.
Wichtig: Gibt es im Mietvertrag keine Vereinbarung, muss man auch nichts zahlen.
Eine weitere Ausnahme von der Instandhaltungspflicht des Vermieters sind Schönheitsreparaturen. Für viele Mieter ist es selbstverständlich, die Renovierung der Wohnung zu übernehmen. Doch nach dem Gesetz gehört das eigentlich zu den Pflichten des Vermieters. Auch hier gilt also: Fehlt eine mietvertragliche Vereinbarung zur Übernahme der Schönheitsreparaturen – beispielsweise bei mündlichen Mietverträgen – oder ist sie unwirksam, muss der Vermieter renovieren. Bevor man sich solche Kosten aufbürden lässt, sollte man daher immer zur Rechtsberatung des Berliner Mietervereins gehen.
bl
Ist der Hauseigentümer nicht verpflichtet, einen bestimmten Teil der Mieteinnahmen für die Instandhaltung zu verwenden? Eine berechtigte Frage, wenn man sich den Zustand mancher Häuser anschaut. Doch eine gesetzliche Verpflichtung dazu gibt es nicht. Lediglich bei Sozialwohnungen sind bestimmte Instandhaltungspauschalen vorgesehen. Sie fließen allerdings in die Miethöhe mit ein. Die dort angesetzten Pauschalen unterscheiden sich je nach Baualter und liegen derzeit zwischen 8,16 Euro jährlich pro Quadratmeter bei einem Neubau und 13,22 Euro bei einem mindestens 32 Jahre alten Haus.
Auch bei Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) gibt es Rücklagen für Instandhaltungszwecke. Jeder Eigentümer muss ein monatliches Hausgeld zahlen, das für die Beseitigung von Schäden am Gemeinschaftseigentum verwandt wird. Das ändert allerdings nichts daran, dass es gerade bei Eigentumsanlagen häufig Probleme gibt, wie der Leiter der Rechtsabteilung beim BMV erklärt: „Mitunter ist ein Wohnungsvermieter zwar willig, das Dach reparieren zu lassen, aber die Miteigentümer im Haus sperren sich“, so Stefan Schetschorke. Oder das Hausgeld reicht nicht aus, um einen größeren Schaden in Ordnung zu bringen.
Erstaunlicherweise sind Vermieter nicht einmal dazu verpflichtet, ihr Haus in bestimmten Abständen auf drohende Wasserrohrbrüche, Brände oder ähnliche Gefahren zu untersuchen. So entschied der Bundesgerichtshof vor einigen Jahren, dass der Vermieter keine regelmäßige Generalinspektion der Elektrik vornehmen muss (BGH vom 15. Oktober 2008 – VIII ZR 321/07). Nur bei konkreten Anhaltspunkten, also wenn es bereits einmal zu Störungen kam oder wenn Mieter das Problem bereits gemeldet haben, muss der Vermieter tätig werden. Und nur dann kann ein Mieter im Schadensfall auch Ansprüche geltend machen.
Umso wichtiger ist es, dass Mieter mögliche Gefahrenquellen melden, etwa Gasgeruch, eine defekte Sicherung oder auch fehlende Treppenstufen.
bl
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MieterMagazin 3/13
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09.12.2018