Leitsatz:
Eine gebrochene Vinyl-Asbest-Bodenplatte berechtigt zur Mietminderung in Höhe von 10 Prozent.
LG Berlin vom 16.1.2013 – 65 S 419/10 –
Mitgeteilt von RA Sven Leistikow
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Das Gericht ließ es dahinstehen, ob der Bruch der Platte durch eine Unachtsamkeit des Mieters entstanden sei oder nicht. „Denn den Beklagten (Mietern) kann nicht angelastet werden, dass sie ein Regal aufgestellt haben, da das Aufstellen eines Regals einen üblichen Mietgebrauch der Wohnung darstellt.“
Weiter schreibt das Gericht: „Die Gebrauchstauglichkeit der Mietwohnung war dadurch gemindert, dass ihre Benutzung mit der Gefahr einer Gesundheitsbeeinträchtigung verbunden war. Ohne eine fachgerechte Entsorgung der beschädigten Asbestfliese war die Quelle für eine mögliche Gesundheitsbeeinträchtigung nicht mit Sicherheit beseitigt, so dass die konkrete Gefahr die Wertschätzung und den ungestörten Gebrauch der Mietsache beeinträchtigt hat. Die besondere Gefährdung, die von freigesetzten Asbestfasern ausgeht, liegt darin, dass es keine Wirkschwelle gibt und eine einzige eingeatmete Faser eine lebensgefährliche Krankheit auslösen kann. Zwar steigt das Erkrankungsrisiko mit der Höhe der Konzentration von Asbestfasern und der Dauer der Einwirkung. Eine gesundheitlich unbedenkliche Konzentration von Asbestfasern (Schwellenwert) kann für Asbestfasern jedoch nicht angegeben werden.“
Urteilstext
Aus den Gründen:
…
aa) Asbesthaltige Fußbodenfliesen stellen jedenfalls dann einen zur Minderung berechtigenden Mangel der Mietsache dar, wenn eine Gesundheitsgefährdung durch gelöste Fasern besteht (vgl. LG Berlin, Urteil vom 27.10.1998, 65 S 223/98, GE 1999, 47). Durch eine Beschädigung einer asbesthaltigen Fußbodenfliese können die zunächst in der Fliese gebundenen Asbestfasern an den Bruchkanten der Fliese freigesetzt werden. Ein neben der vorhandenen allgemeinen Belastung vorhandenes zusätzliches Gefahrenpotential durch Asbestfasern freisetzende, gerissene oder gebrochene Fußbodenfliesen muss der Mieter nicht hinnehmen. Das Vorhandensein von Asbestfasern in dem Fußbodenbelag ist unstreitig.
bb) In der Wohnung der Beklagten war ab Januar 2006 zumindest eine asbesthaltige Fußbodenfliese beschädigt, so dass Asbestfasern austreten konnten. …
dd) Selbst wenn man annehmen würde, dass die Fliese aufgrund der Belastung durch das darauf stehende Regel gerissen ist, würde dies nicht dazu führen, dass der Mangel pflichtwidrig von den Beklagten verursacht wurde. Denn den Beklagten kann nicht angelastet werden, dass sie ein Regal aufgestellt haben, da das Austeilen eines Regals einen üblichen Mietgebrauch der Wohnung darstellt. Bodenfliesen müssen so beschaffen sein, dass auch ein Regal aufgestellt werden kann, ohne dass die Fußbodenfliesen brechen. Insoweit bestehen auch keine Anzeichen dafür, dass in pflichtwidriger Weise die Lagerung besonders schwerer Sachen den Riss der Asbestfliese verursacht hätten.
e) Vorliegend ist für die Gebrauchsbeeinträchtigung eine Minderung der Miete von 10 % angemessen. Die Gebrauchstauglichkeit der Mietwohnung war dadurch gemindert, dass ihre Benutzung mit der Gefahr einer Gesundheitsbeeinträchtigung verbunden war. Ohne eine fachgerechte Entsorgung der beschädigten Asbestfliese war die Quelle für eine mögliche Gesundheitsbeeinträchtigung nicht mit Sicherheit beseitigt, so dass die konkrete Gefahr die Wertschätzung und den ungestörten Gebrauch der Mietsache beeinträchtigt hat. Die besondere Gefährdung, die von freigesetzten Asbestfasern ausgeht, liegt darin, dass es keine Wirkschwelle gibt und eine einzige eingeatmete Faser eine lebensgefährliche Krankheit auslösen kann. Zwar steigt das Erkrankungsrisiko mit der Höhe der Konzentration von Asbestfasern und der Dauer der Einwirkung. Eine gesundheitlich unbedenkliche Konzentration (Schwellenwert) kann für Asbestfasern jedoch nicht angegeben werden. Eine Minderung in Höhe von 10 % erscheint unter Berücksichtigung der konkreten Gegebenheiten angemessen und fällt nicht aus dem Rahmen weiterer Beispiele aus der Rechtsprechung (15 % für eine asbestbelastete Scheune, in deren Raumluft keine lungengängigen Fasern festgestellt wurde, LG Mannheim, NJW-RR 1996, 776; 17% (Asbesthaltige Nachtspeicheröfen, AG Heidelberg, 8. Mai 1996, 62 C 63/95, NJWE-MietR 1996, 267) 18 % (Asbesthaltige Nachtspeicheröfen, LG Hannover, 30. Mai 1997, 8 S 203/96, WuM 1997, 434;) 50% Gesundheitsgefahr durch Asbestfasern ausgehend von einem Elektronachtspeicherofen, LG Dortmund, 16. Februar 1994, 11 S 197/93, ZMR 1994, 410 = WuM 1996, 141).
Somit ergibt sich ein Minderungsbetrag für die Zeit von Januar 2006 bis Juli 2008 von monatlich 77,23 €, mithin insgesamt 2.394,13 €.
Der Anspruch auf Zinszahlung ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO ì. V. rn. § 26 Nr. B EGZPO
4. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1, 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern.
Das könnte Sie auch interessieren:
Info 80: Asbest in Nachtspeicheröfen
Asbest: Wo überall steckt das Teufelszeug?
Asbest: Tödliche Fasern - eine versteckte Gefahr
Asbest: Allgemeine Gefahr rechtfertigt Mietminderung
Mängel anzeigen mit Erfolg - mit Musterschreiben -
Wohnschadstoffe meiden, Belastungen beseitigen: Die unterschätzte Gefahr
Asbest in Floor-Flex-Platten
Fahrlässigen Umgang mit asbestverseuchten Fußböden
in Wohnungen endlich beenden
Asbest: Ein Sanierungsfahrplan muss her
Zehntausende Wohnungen müssen von der Altlast befreit werden: Achtung Asbest
„Floor-Flex-Platten“: Asbest im Fußboden
Asbest: BGH-Leitentscheid v. 2.4.2014 - VIII ZR 19/13 -
Asbest, Allgemeine Gefahr rechtfertigt Mietminderung:
LG Berlin vom 11. Februar 2016 – 18 S 133/15
Beschädigte Asbestfliesen sind Gesundheitsgefährdung: Ein Amtsgerichtsurteil
Landgerichtsurteil zu Asbest: Schadenersatz auch bei Spätfolgen
Asbestplatten: LG Berlin vom 16.1.2013 - 65 S 419/10 -
Asbestplatten: LG Berlin vom 21.12.2012 - 65 S 200/12 -
Asbest in Nachtspeicherheizungen
Heizung: Abwrackprämie für Nachtspeicher
MieterMagazin-Service: Auslaufmodell Nachtspeicher
Asbestbelastung: LG Dresden vom 25.2.2011 - 4 S 73/10 -
Musterschreiben:
Lesen Sie auch zum Thema Mietminderung:
- Achtung Stolperfalle - Was Sie über die Mietminderung wissen sollten
- BMV-Info 12: Wohnungsmängel – Wann darf die Miete gemindert werden?
- 10 Fragen zur Beseitigung von Wohnungsmängeln:
Worauf Mieter achten sollten - Wer kassiert, repariert!
Mieter haben ein Recht auf eine mängelfreie Wohnung - Wohnungsmängel: So machen Sie Ihrem Vermieter Beine
14.06.2016