Beim Thema Videoüberwachung scheiden sich die Geister. Viele Mieter fühlen sich sicherer, wenn der Hauseingangsbereich oder der Zugang zur Tiefgarage beobachtet wird. Andere wehren sich sogar gegen Attrappen, wie ein aktueller Rechtsstreit zeigt.
Obwohl der Mieter wusste, dass es sich nicht um eine echte Kamera handelte, sah er sich in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt. Das Gericht entschied jedoch, dass Kamera-Attrappen nicht gegen das Persönlichkeitsrecht des Mieters verstoßen (Amtsgericht Schöneberg vom 30. Juli 2014 – 103 C 160/14). Auch die Argumentation, der Vermieter könne die Dummys irgendwann gegen echte Kameras austauschen, überzeugte die Richter nicht. Dafür gebe es keine Anhaltspunkte.
Grundsätzlich gilt jedoch: Eine Videoüberwachung ist Hauseigentümern nach gängiger Rechtsprechung nur in wenigen Ausnahmefällen erlaubt. Selbst wenn es wiederholt zu Sachbeschädigungen und beleidigenden Schmierereien an der Hauswand gekommen ist, rechtfertigt dies nicht ohne Weiteres die Einrichtung einer Videoüberwachung, welche das Kommen und Gehen der Mieter und etwaiger Besucher aufzeichnet (Landgericht Berlin vom 10. Mai 2000 – 65 S 279/00). „Der Vermieter sollte auf jeden Fall vor der Installation die Einwilligung aller Mieter einholen – nur wenn alle zustimmen, ist er auf der sicheren Seite“, erklärt der Rechtsexperte des Berliner Mietervereins, Frank Maciejewski. Das gilt zumindest für alle Bereiche, die der Mieter betreten muss, also Treppenhaus, Fahrstuhl oder der Durchgang zu Hof, Keller oder Tiefgarage.
Ist der Bewohner jedoch gar nicht betroffen, sieht die Sache anders aus. Das musste auch ein Mieter aus Köpenick erfahren. Als Einziger im Haus wehrte er sich gegen eine Videoüberwachung und forderte seinen Vermieter auf, die bereits installierten Kameras zu entfernen und sämtliche Aufnahmen zu löschen. Der Vermieter tat dies auch, nur die Kamera im Fahrradkeller blieb. Zugang zum Fahrradkeller bekamen nur noch diejenigen Mieter, die der Videoüberwachung zustimmten. Darauf klagte der ausgeschlossene Mieter – und unterlag. Die Richter konnten in diesem Fall keine Verletzung der Privatsphäre erkennen, weil der Mieter keinen Anspruch auf die Nutzung des Fahrradkellers hat – und somit auch nicht gegen seinen Willen gefilmt wird (Amtsgericht Köpenick vom 27. August 2013 – 2 C 7/13).
Schmerzensgeld für verdeckte Überwachung
In jedem Fall gilt: Mieter und Besucher müssen mit deutlichen Hinweisschildern auf die Videoüberwachung aufmerksam gemacht werden. Eine heimliche Überwachung ist immer unzulässig und berechtigt unter Umständen sogar zum Schadensersatz. So musste der Eigentümer eines Friedrichshainer Mietshauses, der ohne Wissen der Mieter vier Kameras in Stromverteilerdosen versteckt hatte, einem Mieter 650 Euro Schmerzensgeld zahlen (Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg vom 1. März 2012 – 25 C 84/12 –, MM 5/12, 30). In diesem Fall hatten die Kameras sogar die Straße vor dem Haus erfasst – das ist nach einem jüngst ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofes ohnehin nicht zulässig. Die Überwachung durch einen privaten Hausbesitzer dürfe nicht auf das öffentliche Straßenland gerichtet sein, entschieden die Luxemburger Richter.
Ungeachtet der Rechtslage sind Videokameras in Berlin allgegenwärtig. Nicht nur in Großsiedlungen und Hochhäusern, sondern zum Teil auch in einzelnen Altbauten heißt es: „Big Brother is watching you“. Viele Wohnungsbaugesellschaften haben damit gute Erfahrungen gemacht. Bei der Modernisierung des Märkischen Viertels war die flächendeckende Videoüberwachung sogar Gegenstand des Sanierungskonzepts, wie die Sprecherin der Gesobau, Kirsten Huthmann, berichtet: „Die meisten Mieter finden das gut, die ärgern sich ja auch darüber, wenn vor dem Keller Sperrmüll abgestellt oder Fahrstühle mit Graffiti beschmiert werden.“ Die Kameras dienten der Abschreckung und Aufklärung. Die Aufnahmen dürfen 48 Stunden lang gespeichert werden, danach müssen sie gelöscht werden.
Birgit Leiß
Wer zahlt den Film?
Die Kosten für eine Videoüberwachung dürfen nur dann als „sonstige Kosten“ auf die Betriebskosten umgelegt werden, wenn dies vertraglich vereinbart wurde. Das heißt: Wer neu in eine Wohnung einzieht, wird in der Regel einen solchen Passus unterschreiben müssen. Im laufenden Mietverhältnis kann ein Vermieter die Zustimmung des Mieters nicht einfordern. Eine Umlage im Rahmen einer Modernisierung ist denkbar, hier kommt es auf die Begründung im Einzelfall an. Ohnehin ist die Anschaffung und Wartung nicht sehr kostspielig.
bl
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14.12.2018