Eine langjährige Bleibe und vertraute Umgebung verlassen zu müssen, etwa weil der neue Vermieter Eigenbedarf an der Wohnung anmeldet, ist für die meisten Mieter eine Horrorvorstellung. Doch so einfach, wie sich das mancher Eigentümer vorstellt, ist es dank des gesetzlichen Kündigungsschutzes nicht. Andererseits ist manchem Mieter nicht klar, dass er bei groben Pflichtverletzungen, etwa ständig unpünktlicher Mietzahlung oder unerlaubter Untervermietung, den Rauswurf riskiert. Worauf ist also zu achten?
„Ich bin der neue Eigentümer, bitte räumen Sie die Wohnung zum Monatsersten“. Oder: „Da Sie die Miete nach der Modernisierung sowieso nicht zahlen können, müssen wir Ihnen leider kündigen“. Solche und ähnlich kuriose „Kündigungsschreiben“ erlebt man beim Berliner Mieterverein (BMV) immer wieder. In Hamburg kündigte eine Hausbesitzerin ihren Mietern sogar, weil diese einen Mangel gemeldet hatten.
Fakt ist: Mieter einer Wohnung genießen – im Gegensatz zu Gewerbemietern – einen gesetzlich festgeschriebenen Kündigungsschutz. Der Vermieter darf ein unbefristetes Mietverhältnis nur aus wenigen, genau definierten Gründen beenden – und dazu zählt weder ein Eigentümerwechsel noch der Wunsch nach höheren Mieteinnahmen oder eine Mängelanzeige. Lediglich bei Einliegerwohnungen, Studentenwohnheimen, möblierten Zimmern und anderem, zu vorübergehendem Gebrauch vermietetem Wohnraum gilt der Kündigungsschutz nicht.
Stimmt die Form?
Doch der Reihe nach. Zunächst einmal müssen bei einer Kündigung die Formalien stimmen. Die Kündigung muss in Schriftform erfolgen – eine mündlich ausgesprochene kann man getrost ignorieren – und sie muss eigenhändig vom Vermieter unterschrieben sein.
Die Kündigungsfrist ist abhängig von der Wohndauer. Sie beträgt mindestens drei Monate, verlängert sich bei einer Mietzeit von mehr als fünf Jahren auf sechs Monate und nach mehr als acht Jahren auf neun Monate. Liegt das Schreiben bis zum dritten Werktag eines Monats im Briefkasten, zählt dieser Monat bei der Berechnung der Kündigungsfrist noch mit. Längere Fristen oder gar der Ausschluss der ordentlichen Kündigung sind als mietvertragliche Vereinbarung möglich. Auch bei Zeitmietverträgen ist in der Regel für die vereinbarte Zeit eine ordentliche Kündigung durch den Vermieter ausgeschlossen. Die außerordentliche Kündigung, etwa bei Mietschulden, ist natürlich auch dann möglich.
Aus welchen Gründen ist nun eine Kündigung zulässig? Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) muss der Vermieter ein berechtigtes Interesse vorweisen – anders übrigens als der Mieter, der seine Wohnung ohne Begründung kündigen kann. Im Wesentlichen gibt es vier Varianten.
Am häufigsten ist der Eigenbedarf, das heißt, dass der Vermieter die Wohnung für sich, seine Familienangehörigen (Kinder, Eltern, Geschwister, Neffen und Nichten) oder Haushaltsangehörigen (zum Beispiel eine Pflegekraft) benötigt. Er muss dabei vernünftige und nachvollziehbare Gründe angeben, beispielsweise dürfte es kaum überzeugen, wenn er für seine fünfköpfige Familie eine Einzimmerwohnung beansprucht. Allerdings sind die deutschen Gerichte schon seit geraumer Zeit überaus großzügig beim Anerkennen eines dringenden Nutzungswunsches des Vermieters.
Eigenbedarf nur vorgetäuscht?
Gleichwohl sind viele Eigenbedarfskündigungen ungerechtfertigt oder sogar vorgetäuscht – sei es, weil im Haus eine andere Wohnung frei wäre oder weil der Eigenbedarf nur vorgeschoben ist und es in Wirklichkeit darum geht, die leere Wohnung teurer verkaufen zu können. Kann der gekündigte Mieter beweisen, dass der Eigenbedarf nur vorgetäuscht war und die benannten Personen gar nicht eingezogen sind, kann er Schadensersatzansprüche geltend machen.
Unter Umständen ist der Vermieter auch verpflichtet, bereits zu Beginn des Mietverhältnisses auf den beabsichtigten Eigenbedarf hinzuweisen. Das stellte der Bundesgerichtshof (BGH) unlängst klar (BGH vom 6. Juli 2010 – VIII ZR 180/09). In dem zu behandelnden Fall wurde einem Mieter bereits drei Monate nach Einzug wieder gekündigt, weil der Eigentümer mit seiner Lebensgefährtin einziehen wollte. Der BGH hielt die Kündigung für unwirksam, der Vermieter hätte dem Mieter mitteilen müssen, dass er in absehbarer Zeit mit einer Eigenbedarfskündigung rechnen muss.
Zweitens kann der Vermieter kündigen, wenn er durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung gehindert wäre. Solche sogenannten Verwertungskündigungen sind relativ selten, meist geht es um Abriss oder Kernsanierung. Keinesfalls müssen Mieter automatisch ausziehen, weil ein marodes Haus abgerissen werden soll. „Der Vermieter muss in jedem Einzelfall nachweisen, dass er erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleidet, diese werden dann gegen die Interessen des Mieters abgewogen“, erklärt Mietrechtsexperte Frank Maciejewski vom Berliner Mieterverein. Es muss beispielsweise detailliert dargelegt werden, dass die Kosten für eine Sanierung des Hauses unzumutbar wären.
In einem Hamburger Fall bestätigte der Bundesgerichtshof unlängst eine Abrisskündigung (BGH vom 9. Februar 2011 – VIII ZR 155/10). Begründung: Die nicht mehr zeitgemäße Ausstattung des „Behelfsheims“ aus den 1930er Jahren könne auch durch Modernisierung nicht beseitigt werden. Zudem war der Abriss Teil eines städtebaulichen Konzepts, und für die verbliebenen Bewohner war ein Sozialplan aufgestellt worden.
Im Prinzip kann auch der Wunsch, ein Haus oder eine Wohnung leerstehend zu verkaufen, eine Kündigung rechtfertigen. Eine spekulative Absicht darf aber mit der Kündigung nicht verbunden sein. Wurde die Wohnung bereits in vermietetem Zustand erworben, würde ein Eigentümer daher mit einer solchen Begründung bei Gericht kaum durchkommen, insbesondere wenn sich an seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nichts verändert hat.
Schutz nach erster Umwandlung
Wichtig: Wenn eine Mietwohnung erstmals in eine Eigentumswohnung umgewandelt wird, sind die Mieter mindestens drei Jahre lang vor einer Kündigung geschützt. Für sechs Bezirke in Berlin gilt sogar eine siebenjährige Kündigungssperrfrist, dies sind Friedrichshain-Kreuzberg, Charlottenburg-Wilmersdorf, Pankow, Tempelhof-Schöneberg, Mitte und Steglitz-Zehlendorf. Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs oder angemessener wirtschaftlicher Verwertung ist also erst nach drei beziehungsweise sieben Jahren möglich. Achtung: Wird die Wohnung lediglich weiterverkauft, beginnen die Sprerrfristen nicht von Neuem zu laufen.
Bei der dritten Kündigungsvariante greifen die Schonfristen nach Umwandlung nicht. Gemäß BGB kann der Vermieter das Mietverhältnis auch aus anderen, wichtigen Gründen kündigen. „In der Praxis kommt dies aber sehr selten vor“, erklärt Maciejewski. Ein berechtigtes Interesse kann es beispielsweise sein, wenn eine Genossenschaft einem ausgeschlossenen Mitglied kündigen oder wenn eine Behörde einen Mitarbeiter mit Wohnraum versorgen will. Auch die Unterbringung eines Au-Pair-Mädchens hat der BGH vor einigen Jahren als sonstiges berechtigtes Interesse anerkannt (BGH vom 11. März 2009 – VIII ZR 127/08). Für Empörung sorgte dieses vermieterfreundliche Urteil auch, weil die Kündigung unmittelbar nach einer Umwandlung erfolgte. Wegen der Geltendmachung eines „sonstiges Interesses“ musste der Erwerber keine Sperrfrist für die Kündigung einhalten.
Sozialklausel nur bei ordentlicher Kündigung
Auch wenn der Vermieter zu Recht gekündigt hat, bedeutet das nicht in jedem Fall, dass der gekündigte Mieter ausziehen muss. Das Gesetz gibt dem Mieter das Recht, Widerspruch einzulegen, wenn der Verlust der Wohnung für ihn oder seine Familie eine Härte bedeuten würde. Als Härtegründe gelten unter anderem hohes Alter, Schwangerschaft, bevorstehendes Examen oder schwere Krankheit. Wichtig: Der Widerspruch muss dem Vermieter spätestens zwei Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist schriftlich mitgeteilt werden. Das Gericht kann dann eine unbefristete oder befristete Fortsetzung des Mietverhältnisses anordnen.
Auf diese Sozialklausel kann man sich aber nicht berufen, wenn man eine außerordentliche Kündigung bekommen hat. Neben den vier ordentlichen Kündigungsmöglichkeiten gibt es nämlich noch eine weitere, die ausschließlich durch Mieterverhalten verursacht wird: die schuldhafte, nicht unerhebliche Verletzung der vertraglichen Pflichten. Damit sind Verstöße gegen den Mietvertrag oder die Hausordnung gemeint, etwa Mietschulden, Tierhaltung trotz Verbot, ständige Ruhestörung, Gefährdung der Mietsache oder Untervermietung ohne Erlaubnis. Dabei sind sogar fristlose Kündigungen zulässig, nämlich dann, wenn dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses unter keinen Umständen weiter zumutbar ist. Voraussetzung ist aber in der Regel, dass der Mieter vorher abgemahnt wurde. Nur beim Zahlungsverzug als Kündigungsgrund bedarf es keiner vorherigen Abmahnung.
„Viele Mieter übersehen, dass es in diesem Fall keinen Warnschuss gibt: Wer die Mietzahlung öfter mal vergisst, dem droht eine unabwendbare Kündigung“, so Maciejewski. Weitere Ausnahmen von der Abmahnung: Der Kündigungsgrund ist offensichtlich nicht beeinflussbar oder die Vertragsverletzung ist „erheblich“. „Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn der Mieter den Vermieter mit einer Pistole bedroht oder tätlich angegriffen hat“, erklärt Maciejewski.
Auch unberechtigte Abmahnungen ernst nehmen
Glück im Unglück haben Mieter, die bei Zahlungsrückstand eine fristlose Kündigung bekommen. In diesem Fall kann die Kündigung nämlich abgewendet werden, wenn man den gesamten Mietrückstand ausgleicht. Das muss spätestens zwei Monate nach Zustellung der Räumungsklage passiert sein. Ein Freibrief für schlampige Mietzahler ist dies aber keineswegs: Innerhalb von zwei Jahren darf ein solches Verhalten nur einmal vorkommen. Bei fristgerechten Kündigungen kann man sich dagegen durch Zahlung nicht aus der Schlinge ziehen. „90 Prozent aller fristlosen Kündigungen sind verkappte Abmahnungen“, erklärt BMV-Vizegeschäftsführer Michael Roggenbrodt. Der Vermieter wolle damit signalisieren, dass seine Geduld zu Ende ist. Ist der Rauswurf hingegen ernst gemeint, heißt es im Kündigungsschreiben häufig: „Hilfsweise wird die fristgerechte Kündigung erklärt“. Dann nutzt dem Mieter die sofortige Zahlung des Mietrückstandes meistens nichts mehr. In jedem Fall sollten Abmahnungen immer sehr ernst genommen werden, empfiehlt Roggenbrodt: „Auch wenn der Vorwurf unberechtigt ist, sollte man immer darauf reagieren, beispielsweise indem man dem Vermieter mitteilt, dass eine behauptete Untervermietung nicht zutrifft.“ Wurde man wegen Ruhestörung abgemahnt, kann man erklären, dass es sich um ein einmaliges Vorkommnis, etwa eine Hochzeitsparty, gehandelt hat und dass dies nicht wieder vorkommt.
Was passiert, wenn an der Kündigung nicht zu rütteln ist, man aber nach Ablauf der Frist einfach nicht auszieht, zum Beispiel weil man keine neue Wohnung gefunden hat? In diesem Fall muss der Vermieter Räumungsklage einreichen und den Gang des Verfahrens abwarten. Keinesfalls darf er eigenmächtig die Wohnung räumen lassen oder gar das Schloss austauschen. Trotzdem ist es für den Mieter riskant, einfach den Kopf in den Sand zu stecken. Unter Umständen drohen Prozesskosten und Schadensersatzforderungen. Es versteht sich von selber, dass man bei einer Kündigung unverzüglich eine Rechtsberatung aufsuchen sollte. Häufig gelingt es den Rechtsberatern des Mietervereins, den Rauswurf abzuwehren oder zumindest längere Fristen zu erkämpfen.
Birgit Leiß
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Wer wiederholt seine vertraglichen Pflichten erheblich verletzt, riskiert den Rauswurf. Einige Beispiele aus der Rechtsprechung zeigen dies.
Der eigenmächtige Einbau einer Katzenklappe in die Wohnungstür stellt nach Auffassung des Landgerichts Berlin eine erhebliche Vertragsverletzung dar. Die ausgesprochene ordentliche Kündigung – nach vorangegangenen Abmahnungen – sei daher berechtigt (LG Berlin vom 24. September 2004 – 63 S 199/04).
Weil er seine Wohnung über einen längeren Zeitraum nicht beheizte, kassierte ein Mieter nach mehreren Abmahnungen die fristgemäße Kündigung – zu Recht, wie das Landgericht Hagen entschied. Das Nicht-Beheizen der Wohnung stellt eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung dar, schließlich drohen Frost- oder Schimmelschäden (LG Hagen vom 19. Dezember 2007 – 10 S 163/07).
Das Verteilen von Zetteln mit Aufschriften wie „Mieter wehren sich erfolgreich“ ist vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt und berechtigt nicht zur fristlosen Kündigung, so der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin. Das gelte auch dann, wenn ein Wohnungsverkauf deswegen nicht zustande gekommen ist (VerfGH Berlin vom 22. Januar 2008 – VerfGH 70/06).
Der Vermieter darf ohne vorherige Abmahnung ordentlich kündigen, wenn ein Mieter den Hausfrieden unerträglich stört, indem er die anderen Mieter im Hause mehrfach unflätig beleidigt (AG Coburg vom 25. September 2008 – 11 C 1036/ 08).
Eine unberechtigte Strafanzeige gegen den Vermieter stellt eine schwere Vertragsverletzung dar, die den Mieter zur Räumung verpflichtet (AG Pankow/Weißensee vom 28. Juli 2009 – 101 C 168/09).
Die unberechtigte Anbringung einer Satellitenantenne an einer Außenfassade des Hauses stellt nicht ohne Weiteres eine schwerwiegende Vertragsverletzung des Mieters dar, die es dem Vermieter unzumutbar macht, das Mietverhältnis fortzusetzen (LG Berlin vom 23. Juni 2009 – 63 S 476/08).
Wirft der Mieter Werbeprospekte mit der Absicht in den Hausflur des Mehrfamilienhauses, diesen zu verunreinigen, kann dieses Verhalten einen Kündigungsgrund darstellen (LG Berlin vom 29. Mai 2007 – 65 S 101/06).
Auch die Nichtzahlung der vereinbarten Kaution stellt eine nicht unerhebliche Vertragsverletzung dar (Amtsgericht Neukölln vom 11. April 2008 – 16 C 430/ 07).
Mehrfach beschäftigten sich die Gerichte mit der Frage, ob eine unerlaubte Untervermietung auch dann eine Kündigung rechtfertigt, wenn der Mieter einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis hat. Während das Bayerische Oberlandesgericht dies bejahte (BayObLG vom 26. April 1995 – REMiet 3/94) kam das Landgericht Berlin zum gegenteiligen Ergebnis (LG Berlin vom 10. April 2003 – 67 S 383/02). Allerdings war dem Mieter im Berliner Fall wegen eines beruflichen Auslandsaufenthalts die Untervermietung prinzipiell erlaubt worden, nur mit dem Wechsel des Untermieters war die Vermieterin nicht einverstanden. Das Bayerische Gericht hatte dagegen über einen Sachverhalt zu entscheiden, bei dem die beantragte Untermieterlaubnis ausdrücklich verweigert worden war. Der Bundesgerichtshof als oberste Instanz (BGH vom 2. Februar 2011 – VIII ZR 74/10) fällte zu dem Thema unlängst ein ausgesprochen mieterfreundliches Urteil: Hat der Mieter die Untermieterlaubnis rechtzeitig beantragt, ist die Kündigung rechtsmissbräuchlich, falls der Vermieter zur Erteilung verpflichtet war. Trotz dieses erfreulichen Urteils warnt man beim Mieterverein dringend vor einer Untervermietung ohne Genehmigung. Man könne schließlich nie wissen, ob in der Person des Untermieters ein Grund liege, weswegen der Vermieter die Genehmigung berechtigterweise verweigern kann.
bl
Die Miete zu mindern, solange ein gravierender Mängel besteht, ist das Recht jeden Mieters. Doch wer sich bei der zulässigen Kürzungsquote grob verschätzt, womöglich ohne vorher fachkundigen Rat eingeholt zu haben, dem droht unter Umständen die Kündigung. Begründet wird dies dann häufig durch nicht vollständige Mietzahlung über mindestens zwei Termine. Gefährlich wird es, sobald der Zahlungsrückstand zwei Monatsmieten übersteigt. Das gilt auch dann, wenn die Mängel dem Vermieter ordnungsgemäß gemeldet und die Mietminderung angekündigt wurde. Im Hinblick auf die immer schärfer werdende Rechtsprechung rät man beim Berliner Mieterverein daher zu betont vorsichtigem Umgang mit dem Druckmittel der Mietminderung. Wer in völlig abwegiger Höhe mindert, dem kann später vor Gericht „schuldhaftes Verhalten“ vorgeworfen werden – und das kann eine Kündigung rechtfertigen. „Auf der sicheren Seite ist, wer die Minderung nicht tatsächlich vornimmt, sondern die Miete unter Vorbehalt zahlt“, empfiehlt Dr. Michael Häberle, Rechtsberater beim BMV. Nach einigen Monaten kann man den Betrag dann vom Vermieter einfordern und, falls der sich nicht rührt, Zahlungsklage einreichen und die korrekte Minderungsquote gerichtlich festsetzen lassen. „Insbesondere wenn man es mit einer aggressiven Hausverwaltung zu tun hat, die vielleicht nur auf einen Grund für die Kündigung wartet, rate ich zu äußerster Vorsicht bei der Minderung“, so Dr. Häberle. Ohnehin gebe es bessere Möglichkeiten, die Mängelbeseitigung durchzusetzen – etwa das Zurückbehaltungsrecht, bei dem der Mieter den drei- bis fünffachen Betrag der Minderungsquote zurückbehalten kann. Allerdings muss dieser Betrag nach erfolgter Mängelbeseitigung zurückgezahlt werden.
Verbindliche Minderungssätze für bestimmte Mängel gibt es nicht. Auch Rechtsberater können nicht wissen, ob das Gericht bei Schimmel 5 oder 10 Prozent für angemessen hält. Doch um solche Abweichungen geht es nicht. Nicht wenige Mieter kürzen völlig übertrieben, etwa weil sie sich an irgendwelchen Tabellen oder Einzelurteilen aus der Presse orientieren. Wer beispielsweise wegen einer Mäuseplage oder einem teilweisen Heizungsausfall die Miete um 100 Prozent kürzt – also überhaupt nicht mehr zahlt, setzt sich der Gefahr einer fristlosen Kündigung aus. „Das Problem ist, dass viele Mieter Mietminderung missverstehen, nämlich als Strafe für den nicht tätigen Vermieter und als Ausgleich für ihren Leidensdruck“, weiß BMV-Vizegeschäftsführer Michael Roggenbrodt. Es sei verständlich, dass Mieter ihre Wohnung wegen dauernden Lärms oder Mäusen für komplett unbewohnbar halten, doch vor Gericht kommt es allein auf den objektiv beeinträchtigten Wohnwert an.
Fazit: Informieren Sie sich immer beim Mieterverein, bevor Sie die Miete kürzen – dafür sind Sie schließlich Mitglied.
bl
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MieterMagazin 1+2/12
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Illustrationen: Julia Gandras
29.03.2022