Um den schwunghaften Handel mit Wohnungen und die daraus folgende Mietpreistreiberei zu unterbinden, hat der Senat die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Milieuschutzgebieten im Grundsatz untersagt. Hier dürfen Wohnungen nur an Mieter verkauft werden. Allerdings nehmen nur wenige Mieter die Möglichkeit wahr – sei es, weil sie das Geld nicht haben oder sich kein Eigentum ans Bein binden wollen, sei es, weil sie vom Verkäufer aktiv daran gehindert werden. Das Umwandlungsverbot kann daher leicht umgangen werden.
Seit dem Erlass der Umwandlungsverordnung im März 2015 dürfen in den Berliner Milieuschutzgebieten im Grundsatz keine Mietshäuser mehr in Einzeleigentum umgewandelt werden. Es gibt jedoch eine Ausnahme: Verpflichtet sich der Eigentümer, die Wohnungen in einem Zeitraum von sieben Jahren ausschließlich den Mietern zum Kauf anzubieten, müssen die Bezirksämter die Umwandlung genehmigen. Diesen Sonderfall nehmen Eigentümer zunehmend in Anspruch.
Mit der Einschränkung wollte der Bundesgesetzgeber erreichen, dass der Milieuschutz nicht die Eigentumsbildung von Mietern verhindert. In der Berliner Realität gibt es aber kaum Mieter, die nur darauf warten, ihre aktuelle Wohnung zu erwerben. Die Eigentümer sind auch nicht verpflichtet, die Wohnungen im Sieben-Jahres-Zeitraum den Mietern tatsächlich anzubieten – sie können auch einfach bis zu dessen Ablauf warten. So ist absehbar, dass kaum ein Mieter seine Wohnung kaufen wird. So tritt nach sieben Jahren ein, was die Umwandlungsverordnung eigentlich verhindern soll: Die Wohnungen werden so aufwendig, wie es der Milieuschutz zulässt, modernisiert und für einen möglichst teuren Verkauf hergerichtet.
Diese Wohnungen sind dann für Kaufwillige, die selbst einziehen wollen, sogar attraktiver als außerhalb von Milieuschutzgebieten, denn sie müssen mit einer Eigenbedarfskündigung nicht zehn, sondern nur noch drei Jahre warten. Die Mieter geraten dabei genauso unter Druck wie in den Zeiten, als es das Umwandlungsverbot noch nicht gab – nur sieben Jahre später.
Mieterverein: Ausnahme abschaffen!
Auch hier ist dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Eigentümer, die keine sieben Jahre warten wollen, können versuchen, die Mieter mit Geldprämien zum Auszug zu bewegen, um dann für die leeren Wohnungen gezielt Kaufwillige zu suchen. Diese müssten die Wohnung zunächst pro forma anmieten, können aber nach einer kurzen Schamfrist zum „kaufenden Mieter“ werden. Denkbar sind auch „Strohmieter“, die gar nicht einziehen, sondern nur eine leere Wohnung blockieren und sie sofort frei machen, sobald ein Kaufwilliger kommt.
Wegen solcher Missbrauchsmöglichkeiten fordert der Berliner Mieterverein, diese Ausnahme vom Umwandlungsverbot abzuschaffen. So lange müssen die Mitarbeiter in den Stadtplanungsämtern der Bezirke sehr aufmerksam sein, damit sie Umgehungsversuche erkennen und unterbinden.
Jens Sethmann
Papiertiger Vorkaufsrecht
Überall, also nicht nur in Milieuschutzgebieten, gilt: Mieter haben ein Vorkaufsrecht, wenn ihre Wohnung in Eigentum umgewandelt wird und erstmalig verkauft werden soll. Das bedeutet, der Mieter kann in den Kaufvertrag eintreten, den der Eigentümer mit einem Kaufinteressenten bereits ausgehandelt hat. Am Preis und an den übrigen Vertragsinhalten kann er nichts ändern. Der Eigentümer muss den Mieter über die Veräußerung unterrichten. Der Mieter hat dann zwei Monate Zeit zu überlegen, ob er seine Wohnung kaufen möchte. Viele Eigentümer vereiteln das Vorkaufsrecht, indem sie die Mieter einfach nicht informieren. Ist der Käufer erst einmal als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen, kann das Geschäft nicht mehr rückgängig gemacht werden. Der Mieter, der so am Kauf gehindert wurde, kann dann nur noch Schadenersatz geltend machen, zum Beispiel den höheren Preis, den er für den Kauf einer anderen Eigentumswohnung zahlen müsste, oder die Umzugskosten, wenn der neue Eigentümer ihm später wegen Eigenbedarfs kündigt. Der Mieter muss dabei auch nachweisen, dass er finanziell zum Kauf in der Lage gewesen wäre. Die Hürden, einen angemessenen Schadenersatz einzuklagen, sind also relativ hoch. Das Risiko, zu einem Schadenersatz verurteilt zu werden, schreckt kaum einen Verkäufer ab.
js
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28.03.2022