Die Mieterinitiative Lobeckstraße 64 setzt sich gegen die Modernisierungspläne ihres Vermieters, die Deutsche Wohnen, zur Wehr. Die zwei Aktiven Ulrich Maichle und Peter Bohlemann sprechen über ihre Arbeit.
MieterMagazin: Wie ist die Stimmung im Haus? Ziehen alle an einem Strang?
Peter Bohlemann: Die Leute haben eine Riesenangst um ihre Wohnungen – nicht nur, ob sie die Miete künftig zahlen können, sondern auch vor dem, was mit den Bauarbeiten auf sie zukommt. Umsetzwohnungen soll es ja nur für Kranke, Behinderte, Schichtarbeiter und so weiter geben – und das, obwohl eine Asbestsanierung geplant ist. Hier wohnen viele ältere Leute, zum Teil gesundheitlich angeschlagen. Aus Angst oder Unkenntnis haben einige die Duldung bereits unterschrieben, einige bereuen es jetzt. Das sind sehr traurige Geschichten.
Ulrich Maichle: Wir sind sehr erschüttert, dass einer der Aktivisten aus unserer Gruppe kürzlich nach einem Herzinfarkt ganz plötzlich verstorben ist. Wir können nicht belegen, dass das etwas mit der angekündigten Modernisierung zu tun hat. Aber wir wissen, dass er sich das Ganze sehr zu Herzen genommen hat.
Peter Bohlemann: Wir sind eine kämpferische Truppe, aber wenn jemand für sich die Entscheidung getroffen hat, die Modernisierung zu akzeptieren, ist das auch legitim. Manche haben eben Angst, oder die Kraft reicht nicht aus, um sich zu wehren. Dafür wird niemand verurteilt. Wir halten zusammen.
MieterMagazin: Wie kam es überhaupt dazu, dass sie sich zusammengeschlossen haben?
Ulrich Maichle: Es ist viel passiert, seit wir am 31. Oktober 2018 die Modernisierungsankündigung bekommen haben. Zuerst haben wir Info-Zettel in alle Briefkästen gesteckt, damit niemand vorschnell der Modernisierung zustimmt. Dann haben wir mehrere Mieterversammlungen organisiert. Bei der ersten Versammlung Mitte November waren zwei Vertreterinnen des Berliner Mietervereins dabei, was sehr hilfreich war. Etwa die Hälfte der Mieter hat die Duldung verweigert, und Anfang Februar haben dann 50 von 100 Mietern der Fensterbaufirma den Zutritt verweigert, weil die Begehung nicht ordnungsgemäß angekündigt worden war. Das war schon ein erster Erfolg.
Peter Bohlemann: Nach der ersten Schockstarre war klar: Rumjammern hilft nicht. Alleine haben wir gegen ein Unternehmen wie die Deutsche Wohnen keine Chance. Es bestreitet ja niemand, dass am Haus etwas gemacht werden muss. Im Gegenteil: Wir fordern das seit Jahrzehnten, und haben inzwischen gemeinsam eine lange Mängelliste erstellt. Das Haus ist marode, es gibt Asbest, Bleirohre und Rohrbrüche im Keller, Abflussverstopfungen und vieles mehr. Aber so geht es nicht, wir lassen uns nicht abzocken!
MieterMagazin: Halten Sie die Vereinbarung zwischen dem Bezirksamt und der Deutsche Wohnen nicht für ausreichend?
Peter Bohlemann: Diese Vereinbarung wurde über unsere Köpfe hinweg ausgehandelt. Den genauen Inhalt kennen wir gar nicht. Was uns am meisten ärgert ist, dass man uns nun die über Jahre eingesparten Instandhaltungskosten als Modernisierungskosten aufdrücken will. Und viereckige Toiletten und Waschbecken brauche ich nicht. Das ist Luxusmodernisierung.
Ulrich Maichle: Die Deutsche Wohnen mischt Instandsetzungs- und Modernisierungskosten in unzulässiger Weise. Trotzdem werden jetzt Tatsachen geschaffen und bereits mit den Bauarbeiten begonnen. Wir wollen jetzt mit einer Einstweiligen Verfügung einen Baustopp erwirken.
MieterMagazin: Werden Sie sich als Initiative wieder auflösen, wenn die Sanierung durch ist?
Ulrich Maichle: Wir wollen als Nachbarschaftsinitiative weitermachen. Hier ist richtig viel passiert, wir wollen jetzt ein Hoffest machen. Das gab es vorher nie.
Peter Bohlemann: Das Haus wächst menschlich gut zusammen, das macht richtig Spaß. Es ist ein toller Nebeneffekt unseres Protestes. Außerdem: Mit der Deutsche Wohnen gehen die Probleme sicherlich nie aus.
Das Interview führte Birgit Leiß.
Formelle Mängel
Das Hochhaus Lobeckstraße 64 mit rund 120 Wohnungen wurde in den 1960er Jahren gebaut und liegt in einem Erhaltungsgebiet. Bereits im Dezember 2017 hat das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg mit der Deutsche Wohnen eine Vereinbarung über die sozialverträgliche Durchführung von Sanierungsmaßnahmen geschlossen. Die wichtigsten Punkte: Die Bruttowarmmiete darf 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens nicht überschreiten. Die Wärmedämmung der Fassade wird zwar genehmigt, die Kosten dürfen aber nur zu 50 Prozent umgelegt werden. Der Berliner Mieterverein hat die Modernisierungsankündigung überprüft und formelle Mängel festgestellt. So wurde die Baumaßnahme nach Art, Umfang und Dauer nicht ausreichend beschrieben. Außerdem wurde keine konkrete Umsetzwohnung angeboten. Zumindest für die Dauer der Asbestsanierung sei es den Mietern nicht zumutbar, in ihren Wohnungen zu bleiben.
bl
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24.03.2019