Die juristische Beratung seiner Mitglieder ist eine Kernaufgabe des Berliner Mietervereins (BMV). Doch manchmal braucht man bei mietrechtlichen Problemen weitere Expertinnen und Experten – sei es, um das Vorhandensein eines Mangels überhaupt beweisen zu können oder auch, um für eine spätere gerichtliche Auseinandersetzung gerüstet zu sein. Für solche Fälle hat der Mieterverein eine Reihe von Gutachtern, die mit ihrem technischen Sachverstand Probleme wie Schimmel, Schadstoffe oder Lärm unter die Lupe nehmen. In welchen Fällen lohnt sich ihr Einsatz? Und wer übernimmt die Kosten?
Ein Klassiker ist die Wohnflächenberechnung. Wer Zweifel hat, ob die Wohnung tatsächlich so groß ist wie im Mietvertrag angegeben, kann bei Lutz Hoffmann eine professionelle Wohnflächenberechnung in Auftrag geben. Der Architekt stößt häufig auf Fehler – fast immer zu Lasten der Mieter. Bei einer Abweichung von mehr als zehn Prozent besteht eine Mietminderungsanspruch.
Bei kleineren Differenzen spielt es immerhin noch für die Nebenkostenabrechnung eine Rolle, denn diese muss sich grundsätzlich auf die tatsächliche Wohnfläche beziehen. Doch selber nachzumessen ist gar nicht so einfach, vor allem wenn es viele Schrägen gibt, wie etwa bei Dachgeschosswohnungen. Hoffmann, zertifizierter Sachverständiger für Immobilienbewertung und Begutachtung, nimmt in solchen Fällen mit einem Lasergerät Maß. Mit den schriftlichen Ergebnissen des Profis in der Hand fällt es leichter, den Vermieter zum Einlenken zu bewegen – ohne weiteren Rechtsstreit. Die Kosten für Hoffmanns Dienste belaufen sich bei einem Aufmaß für zwei Zimmer mit Grundriss auf etwa 130 Euro netto. Bei größerem Aufwand, etwa bei Dachgeschosswohnungen, kommt noch ein Aufschlag hinzu. „Viele Mieter schrecken erst mal zurück, wenn sie die Kosten erfahren“, weiß Axel Tolle, Rechtsberater beim Berliner Mieterverein. Doch wenn man Monat für Monat 15 oder auch nur 10 Euro weniger Miete zahlen muss, hat sich die Ausgabe schnell amortisiert.
Wenn der Schimmel nicht zu sehen ist
Ein anderes klassisches Tätigkeitsfeld: Feuchtigkeit und Schimmel. „Nicht selten lässt der Vermieter den Schimmel einfach überstreichen oder wischt mit Alkohol drüber, und die Mieter sind dann in Sorge, ob das reicht oder ob nicht darunter gefährliche Schimmelsporen lauern“, erklärt Tolle. Wenn man nichts sieht, muss der Mieter das Vorhandensein von Schimmel beweisen. Das heißt, er muss plausibel darlegen, dass sich unter dem Anstrich oder hinter der Holzverkleidung Schimmel verbirgt.
Ein Sachverständigengutachten kann in diesem Fall fundierte Beweise liefern, die den Vermieter zur Mängelbeseitigung bewegen. Kommt es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung, gilt ein solches privates Gutachten als Parteigutachten. „Wenn es plausibel ist und die Gegenseite dessen Inhalt nicht bestreitet, kann es auch zur Grundlage des Urteils gemacht werden“, erklärt Stefan Schetschorke, Leiter der Rechtsabteilung des BMV. Ansonsten wird das Gericht ein eigenes Gutachten einholen. Gewinnt der Mieter den Rechtsstreit, kann er sich die Auslagen für das von ihm in Auftrag gegebene Gutachten im Rahmen von Schadenersatzansprüchen vom Vermieter zurückholen – allerdings nur, wenn er den Vermieter in Verzug gesetzt hatte und dieser den Mangel bestritten hat. Aber Vorsicht, das klappt nicht immer, ein Risiko bleibt. Daher sollte man dieses Vorgehen immer zuerst mit dem Rechtsberater besprechen.
Nicht immer muss es ein kostspieliges ausführliches Gutachten sein. Der Diplom-Ingenieur Manfred Wunderlich, der unter anderem für Schimmel und Feuchtigkeitsschäden zuständig ist, sagt: „In der Regel lässt sich schon per Augenschein bei einer Erstbegutachtung die bauliche Situation einer Mietwohnung ausreichend bewerten.“ Ausgerüstet mit diesen Informationen kann der Mieter dann gegenüber dem Vermieter entsprechend argumentieren. Eine solche Besichtigung mit Beratung und Kurzprotokoll kostet 90 bis 120 Euro netto zuzüglich 30 Euro Fahrtkosten. Ein ausführliches Gutachten schlägt, je nach Aufwand, mit 350 bis 450 Euro netto plus Kosten für Bildmaterial zu Buche.
Auf das Aufspüren von verstecktem Schimmel hat sich Beate Metzner-Klein vom Ingenieurbüro Grüne Luft mit ihrer zertifizierten Schimmelspürhündin Rhala spezialisiert. Bei der Ingenieurin melden sich beispielsweise Mieter, die einen Bluttest gemacht haben, der auf zu viel Toxine im Blut hindeutet und die nun untersuchen lassen wollen, ob das auf Schimmel in der Wohnung zurückzuführen ist. Andere haben bestimmte Krankheitssymptome, fühlen sich zum Beispiel abgeschlagen, aber in der Wohnung ist nichts zu sehen oder zu riechen. „Den muffigen Geruch von Schimmel nehmen viele nach einer Weile gar nicht mehr wahr“, weiß Beate Metzner-Klein. Der größte Vorteil eines Schimmelspürhundes ist, dass er genau die Stelle anzeigt, wo sich der Schimmel befindet. Großflächige Beprobungen, für die etwa Bodenbeläge oder Verkleidungen aufgerissen werden müssen, sind daher nicht nötig. Wird Schnüffelhündin Rhala fündig, schließt sich meist eine Luftmessung und eine Kontaktprobe an. Auch die Schimmelpilzarten werden bestimmt.
Toxisch oder hoch toxisch?
„Schimmel ist immer problematisch und potenziell allergieauslösend, schließlich hält man sich viele Stunden in der Wohnung auf. Aber man unterscheidet toxische und hoch toxische Sporen“, erklärt Metzner-Klein. Eine bauliche Begutachtung nimmt sie nicht vor, aber oft geben die Fundstellen Hinweise, ob es zum Beispiel an einer kaputten Rohrleitung liegen könnte. Am Ende erhält der Mieter ein Gutachten, mit dem der Vermieter zum Handeln aufgefordert werden kann oder das im Falle eines Gerichtstreits als Beweismittel gilt. In ihrer Arbeit ist die Ingenieurin nach allen Seiten offen. „Wenn ich sehe, dass Wäsche im ungeheizten Zimmer getrocknet wird, weise ich die Mieter darauf hin, dass dies für die Schimmelbildung verantwortlich sein kann.“ Der Schimmelspürhund-Einsatz kostet für eine 100 Quadratmeter große Wohnung circa 300 Euro.
„Ein großes Problem ist, dass viele Mieter nicht als erstes eine Beratung bei ihrem Rechtsberater wahrnehmen“, sagt Ulrich Kleemann, seit vielen Jahren für den Mieterverein als Lärm-, Schimmel- und Heizungsexperte tätig. Kleemann ist auch zuständig für Geräuschmessungen bei technischen Anlagen, etwa rumpelnden Aufzügen, pfeifenden Lüftungsanlagen oder knackenden Heizkörpern. Mit den Erwartungen der Mieter hat er im Laufe der Jahre umzugehen gelernt. Einmal fühlte sich jemand von einem Springbrunnen im Hof gestört. „Da nehme ich keine Lärmmessung vor – es gibt ohnehin keine Chance, dass man mit der Forderung nach Abstellung dieser Lärmquelle durchkommt“, meint Kleemann. Eine Messung vor Ort kostet 70 Euro, eine gutachterliche Stellungnahme (Messung und Dokumentation) 90 Euro, jeweils zuzüglich Fahrtkosten.
Auch beim Verdacht auf Asbest, Elektrosmog oder Schadstoffe vermittelt der BMV Spezialisten, die für Mitglieder ermäßigte Preise anbieten. Peter Braun vom Beratung und Analyse – Verein für Umweltchemie (B.A.U.CH.) hat es häufig mit Holzschutzmitteln in Dachgeschosswohnungen zu tun. Immer noch findet man im Hausstaub DDT, Lindan oder andere längst verbotene Chemikalien. „Gerade wenn Kleinkinder im Haushalt leben, will man da auf Nummer sicher gehen.“ Oft kommt es auch im Anschluss an eine Sanierung oder Renovierung zu Gerüchen oder sogar zu gesundheitlichen Beschwerden. So sind Konservierungsstoffe in Wandfarben stark allergen. Um festzustellen, welche Stoffe in welcher Konzentration vorhanden sind, macht Braun eine Raumluftuntersuchung. Wenn die gesetzlichen Richtwerte überschritten sind, liegt ein Mangel vor und der Vermieter muss handeln. Es sei aber so gut wie unmöglich, einen eindeutigen Bezug zu einer Erkrankung herzustellen, betont Braun.
Der Staubsauger enthält das Indiz
Ein anderes Ärgernis für viele Mieter: Tabakrauch, der aus einer angrenzenden Wohnung oder Gaststätte dringt. „Üblicherweise wird in solchen Fällen zunächst eine Hausstaubuntersuchung auf Nikotin gemacht. Dazu schicken die Mieter eine Probe vom Staubsaugerinhalt ein, die dann im Labor untersucht wird. „Wenn der Mieter selber nicht raucht, finden sich in dem Staub gegebenenfalls Belege, dass Tabakrauch von außen eindringt“, erklärt Braun. Etwa 150 Euro kostet eine solche Untersuchung. In einer zweiten Stufe schließen sich dann Feinstaubmessungen in der Wohnung an. Wenn man nun wissen will, aus welcher Wohnung der Zigarettendunst kommt, macht man eine sogenannte Nebelprobe. Die verdächtige Wohnung oder Kneipe wird dann mit Theaternebel eingenebelt und in der anderen Wohnung Unterdruck erzeugt. Der Rauch dringt dann typischerweise durch Fußleisten oder Dielen. Ein solches Verfahren wird allerdings fast ausschließlich bei Gerichtsgutachten angewandt, wo die Mitwirkung des Gegners angeordnet werden kann.
Auch Gerüche spielen eine immer größere Rolle. Manch einer stört sich beispielsweise am sogenannten „Ostgeruch“, der davon herrührt, dass zu DDR-Zeiten bestimmte Klebstoffe und Spachtelmassen verwendet wurden. „Das ist zwar nicht gesundheitsgefährdend, aber durchaus geruchsintensiv und daher ein Mangel“, so Braun. Das Problem: Geruch ist subjektiv. Oft sagt der Mitarbeiter der Hausverwaltung bei der Besichtigung: „Ich rieche nichts.“ Nachweisen kann man die Belästigung im Grunde nur durch eine Raumluftmessung. Diese gibt aber nur Auskunft über gesundheitsgefährdende Konzentrationen. „Ich schaue, ob ich die typischen Verursacher finde und ob ich selber den Geruch wahrnehme“, erläutert Peter Braun. Letzteres ist dann zwar auch nur eine subjektive Wahrnehmung, doch aufgrund seiner Erfahrung als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger fällt das schon ins Gewicht, und der Vermieter lässt sich eher zur Mängelbeseitigung bewegen. Meist muss in solchen Fällen der Fußbodenaufbau erneuert werden – eine recht aufwendige Sache.
Altlasten im Loft
Ein anderes Problem, mit dem Braun gelegentlich zu tun hat, betrifft Lofts. „Wenn nicht ordentlich saniert wurde, kann es vorkommen, dass es auch nach vielen Jahren noch Rückstände gibt“, berichtet der Sachverständige. Im Falle einer zu Wohnzwecken umgenutzten ehemaligen Schraubenfabrik kamen zu dem penetranten Geruch auch noch dunkle Flecken an Decke und Wänden hinzu. Wie sich herausstellte, hatte sogenannte Bohrmilch, die zur Kühlung der Bohr- und Fräsmaschinen verwendet worden war, ihre Spuren hinterlassen. „Wer für teuer Geld ein schickes Loft gemietet hat, will sich damit nicht abfinden“, so Braun.
Umfangreiche bauliche Gutachten zur Beweissicherung vor einer Modernisierung sind am teuersten und werden daher am seltensten in Auftrag gegeben. Sie kommen beispielsweise in Frage, wenn ein Mieter Zweifel hat, ob der Instandhaltungsanteil bei der Fassadensanierung wirklich nur 20 Prozent beträgt. Mitunter lässt sich die Modernisierungsumlage kräftig senken, wie ein Fall aus Wilmersdorf zeigt. Der Gutachter fand heraus, dass an der Fassade seit 40 Jahren nichts gemacht worden war und dass die Kosten für Erneuerung und Dämmung daher nicht komplett auf die Mieter umgelegt werden konnten. Das 1150 Euro teure Gutachten – in dem auch die Plausibilität der angesetzten Baukosten insgesamt gecheckt worden war – hat sich für die Bewohner richtig gelohnt. Statt der geforderten 95 Cent pro Quadratmeter und Monat zahlen sie nur 37 Cent Modernisierungsumlage. In diesem Fall kam es nicht einmal zu einem Rechtsstreit. Mit den Untersuchungsergebnissen konfrontiert gab der Eigentümer schnell klein bei. „Oft wird ein extrem niedriger Instandhaltungsanteil angesetzt“, so die Erfahrung von Manfred Wunderlich, der neben Lutz Hoffmann solche Gutachten zu Modernisierungskosten anbietet. Das gilt auch für die Fenster.
Aber nicht nur für Wohnungsmängel vermittelt der BMV Experten. Wer eine persönliche Unterstützung bei der Wohnungsübergabe bei Ein- oder Auszug braucht, kann sich an Rüdiger Beer oder Dietrich Eulitz wenden. Das lohnt sich zum Beispiel für Mieter mit einem besonders pingeligen oder streitsüchtigen Vermieter. Oder wenn man Streit um den eingebauten Hängeboden befürchtet. Auch hier gilt natürlich: zuerst in der Rechtsberatung prüfen lassen, ob und in welchem Umfang man überhaupt zur Auszugsrenovierung verpflichtet ist. Die beiden Architekten erteilen nämlich keine juristischen Auskünfte, sondern begutachten beispielsweise, ob die durchgeführten Malerarbeiten in Ordnung sind. Beide haben die Erfahrung gemacht, dass schon ihre bloße Anwesenheit hilft, den Vermieter zu zügeln. Viele Vermieter seien auf Krawall gebürstet und gingen mit der Lupe durch die Wohnung. Meist geht es sachlicher zu, wenn ein professioneller Sachverständiger dabei ist, und am Ende müssten statt des kompletten Neuanstrichs sämtlicher Räume bloß ein paar Dübellöcher zugespachtelt werden. Zudem gelten die Experten als Zeuge für die Wohnungsübergabe – im Streitfall eine wertvolle Hilfe. Der Wohnungsabnahmeservice kostet pro Termin 90 Euro plus Fahrkosten von 10 bis 40 Euro.
Auch Joachim Lentz und Dieter Binger haben die Erfahrung gemacht, dass ihre bloße Anwesenheit deeskalierend wirkt. Die beiden Malermeister stehen seit vielen Jahren Mietern mit Rat und Tat zur Seite, wenn es um Schönheitsreparaturen geht, etwa wenn Mieter eine fachliche Einschätzung brauchen, ob die geforderte Komplettrenovierung der Wohnung wirklich notwendig ist. Auch hier geht es nicht um die juristische Frage, ob Schönheitsreparaturen durchgeführt werden müssen – dafür sind die Rechtsberater zuständig –, sondern um die technische beziehungsweise handwerkliche Qualität. Manchmal geht es auch um einen Kostenvoranschlag für die Renovierung, etwa in Zusammenhang mit einer Auszugsvereinbarung. Eine Besichtigung und kurze Beratung kostet 62 bis 77 Euro, ein Gutachten 150 bis 250 Euro zuzüglich Kosten für eventuelle Fotos, bei besonderem Aufwand auch mehr.
Experte für Wertschätzung
Wenn Dr. Frithjof Hampel ins Haus kommt, hat sich häufig ein Brand, ein schwerer Wasserschaden oder ein Einbruch ereignet. Der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige der Industrie- und Handelskammer ermittelt in solchen Fällen den Wert des Hausrats und zwar unabhängig davon, ob die eigene Hausratversicherung oder die Gebäudeversicherung des Vermieters den Schaden begleichen muss. Schließlich muss man wissen, wie viel eine Porzellansammlung oder ein Perserteppich wert war. Für einen reduzierten Stundensatz von 75 Euro schätzt Dr. Hampel für Mitglieder des BMV die Wohnungseinrichtung, auch im Scheidungs- oder Nachlassfall.
Birgit Leiß
www.berliner-mieterverein.de/rund-ums-wohnen/technischer-service-wohnungszustand.htm.
Einige Gutachter kann man direkt kontaktieren, andere werden nur durch die BMV-Rechtsberater vermittelt. Ohnehin sollte man immer zuerst in der Rechtsberatung klären, ob die Beauftragung Sinn macht. Die genauen Kosten für den Auftrag müssen direkt mit dem Gutachter abgesprochen werden.
„Expertenuntersuchung beeindruckt mehr als Mietermeinung“
MieterMagazin: In welchen Fällen empfehlen Sie Mietern, ein Gutachten einzuholen?
Schetschorke: Ein klassischer Fall sind Feuchtigkeitsschäden, wo Vermieter oft reflexartig sagen, der Mieter habe durch sein falsches Heiz- und Lüftungsverhalten selber schuld. Grundsätzlich gilt hier: Der Vermieter trägt die Beweislast, dass der Mangel nicht durch bauliche Mängel verursacht ist. Vor Gericht wird der Richter ein unabhängiges Gutachten einholen lassen. Daher macht es nicht in jedem Fall Sinn, ein teures außergerichtliches Gutachten in Auftrag zu geben. Aber wenn der Mieter nicht rechtschutzversichert ist und er daher gegebenenfalls auf hohen Prozesskosten sitzen bleiben würde, kann er mit einem eigenen Gutachten versuchen, den Prozess zu vermeiden. Die meisten Vermieter beeindruckt die Untersuchung eines Experten auf jeden Fall mehr als die Einschätzung eines Mieters. Ein anderes Beispiel: Viele Mieter reagieren völlig panisch bei Schimmel und wollen sofort aus der Wohnung ausziehen. Doch nicht jede Schimmelart ist hoch toxisch. Für die Frage, ob der Vermieter die Kosten für eine Ersatzwohnung übernehmen muss, braucht man daher einen Beleg über die Gefährlichkeit des Schimmels.
MieterMagazin: Bei welchen anderen Mängeln braucht man die Einschätzung eines Experten?
Schetschorke: Bei einem Fensteraustausch im Rahmen einer Modernisierung ist eigentlich immer anzuraten, einen Kostenvoranschlag beim Tischler einzuholen. Denn nachträglich lässt sich nicht mehr feststellen, ob eine Überarbeitung ausgereicht hätte und wie hoch der Instandhaltungsanteil war. Um eine abweichende Wohnfläche zu beweisen, braucht man sogar zwingend ein Gutachten, denn die korrekte Messung ist komplizierter als man denkt. Bei Geruchs- oder Lärmbelästigungen, wo die subjektive Komponente eine große Rolle spielt, kann die Expertise eines Sachverständigen die Behauptung eines Mangels untermauern. So hatte ich einmal den Fall, wo ein Mieter in eine Wohnung eingezogen ist, die extrem nach Urin gerochen hat, weil der Vormieter an Inkontinenz litt. Am Anfang roch man das nicht, weil die Wohnung frisch gestrichen war. Der Vermieter behauptete jedoch, der Mieter bilde sich den Geruch nur ein. Ohne eine Messung kommt man hier nicht weiter. Das gleiche gilt bei vermuteten Schadstoffen. Kürzlich hatte ich eine Mieterin, die behauptete, sie und ihr Sohn seien schwer krank geworden, weil bei der Ungezieferbekämpfung zu viele und zudem verbotene Substanzen verwendet worden wären. Das ist zwar sehr schwierig nachzuweisen, da es keine Grenzwerte gibt, doch die Mieterin hat sich entschieden, ein Gutachten in Auftrag zu geben.
MieterMagazin: Welches Gewicht hat ein solches Parteiengutachten überhaupt vor Gericht?
Schetschorke: Das hängt von der inhaltlichen Qualität des Gutachtens ab. Es liegt in der Natur der Sache, dass Parteigutachten zuweilen im wahrsten Sinne des Wortes parteiisch sind und nur die Sicht des Auftraggebers darstellen. Andere Gutachten haben keinerlei Aussagewert. Zum Beispiel wird oft eine Feuchtigkeitsmessung vorgelegt mit dem Ergebnis: Es ist feucht. Das sagt aber nichts über die Ursache aus. Schlussendlich ist es Aufgabe des Gerichts, den Beweiswert solcher Gutachten zu beurteilen.
Interview: Birgit Leiß
Stefan Schetschorke ist Leiter der Rechtsabteilung des Berliner Mietervereins
01.10.2019