Niemand hat sie je gezählt – aber keine andere europäische Stadt dürfte mehr Hinterhöfe haben als Berlin. Die engen Schluchten zwischen den Hinterhäusern prägen Berlin heute noch, obwohl die Hinterhofbebauung als Ursache für soziales Elend und hygienische Missstände galt und deshalb zum Abriss freigegeben wurde. Nun erfahren die Höfe aus dem 19. Jahrhundert im dritten Jahrtausend eine neue Wertschätzung: Gerade die Stadtteile, in denen Krieg und Kahlschlagsanierung die alten Mietskasernen verschont haben, gehören heute zu den beliebtesten Vierteln Berlins. Mancherorts werden sogar neue Hinterhäuser gebaut. Die Hausbewohner eignen sich ihren Hof immer öfter an, pflanzen Bäume und Sträucher und richten sich eine Sitzecke ein. Die Zeit, in der auf einer kahlen Betonfläche nichts weiter stand als eine Mülltonne und zwei Autos, ist jedenfalls (fast) vorbei.
Seitdem die Hackeschen Höfe 1996 erfolgreich zu einem Touristenmagneten umgebaut worden sind, kann man sich in Berlin kaum noch vor Bauprojekten mit „Höfe“-Namen retten: Es gibt die Heckmann-Höfe, die Edison-Höfe, die Fehrbelliner Höfe, die Choriner Höfe, die Gethsemane-Höfe, die Kopernikus-Höfe, die Grussank-Höfe, die Hesperidenhöfe, den Marthashof, den Literaturhof, die Puccini-Hofgärten und viele andere mehr. Der Begriff, den Immobilienentwickler heute mit Vorliebe zur Vermarktung von luxuriösen Wohnanlagen benutzen, wurde früher vor allem mit dem Hinterhof-Wohnungselend in Verbindung gebracht.
Die Hinterhofbebauung ist keine Berliner Besonderheit. Auch in anderen Großstädten wurden Häuser mit einem oder mehreren Hintergebäuden errichtet. Doch nirgendwo sonst wurde flächendeckend so dicht gebaut wie in der „größten Mietskasernenstadt der Welt“.
Möglich geworden ist diese Bauform durch den Hobrecht-Plan von 1862. Der Ingenieur James Hobrecht entwarf einen Stadterweiterungsplan mit einem sehr weitmaschigen Straßennetz und entsprechend großen Baublöcken. Die einzelnen Baugrundstücke zogen sich deshalb sehr tief ins Blockinnere. In der nach der Reichsgründung 1871 rasant wachsenden Hauptstadt waren die Bauherren bestrebt, möglichst viel aus ihren Grundstücken herauszuholen, sprich: möglichst dicht zu bauen. Die extrem liberale Baugesetzgebung erleichterte es ihnen ungemein: Die Baupolizeiordnung von 1853 beschränkte sich weitgehend auf Regelungen zum Brandschutz. Innenhöfe mussten lediglich 5,34 mal 5,34 Meter groß sein – das ist die Fläche, die zum Wenden einer Feuerwehrspritze nötig war. Hobrecht selbst sah schon 1868 die Nachteile der engen Bebauung und forderte: „Mehr Raum für die Höfe! Das Vierfache der Dimensionen, welche die Berliner Baupolizeiordnung verlangt, ist nicht zu viel, ist kaum genug, wenn wir für unsere Hinterzimmer noch Sonne, Licht und Luft in genügender Qualität und Güte behalten wollen.“ Doch im Stadtparlament zögerten die einflussreichen Hausbesitzer die Novellierung der Bauordnung noch bis 1887 hinaus. Die Mindestgröße der Höfe wurde dabei lediglich auf 60 Quadratmeter angehoben – was die Bauherren nicht ernsthaft einschränkte. Ob die Wohnungen Licht, Luft und Sonne abbekommen, spielte bei der Bemessung der Höfe weiterhin keine Rolle.
Bemängelt wurden diese Zustände schon, als die Mietskasernen gebaut wurden. Heinrich Zilles Zeichnungen aus dem Hinterhof-„Milljöh“ der kleinen Leute hatten zu ihrer Zeit auch eine politische Aussage. Mit seinem vielzitierten Satz „Man kann mit einer Wohnung einen Menschen genauso töten wie mit einer Axt“ wurde der Milieumaler zum Kronzeugen der Mietskasernenkritik. Das Wohnungselend wurde dabei weniger auf die soziale Ungerechtigkeit zurückgeführt, sondern vor allem auf die Bauform. Zum berühmt-berüchtigten Symbol wurde „Meyer’s Hof“ in der Weddinger Ackerstraße, eine 1874 gebaute Wohnanlage mit sechs hintereinander liegenden Höfen, in der zeitweise bis zu 2100 Menschen lebten. Mit Ausnahme einiger Reformwohnanlagen ohne Hinterhöfe, die von fortschrittlichen Genossenschaften um die Jahrhundertwende errichtet wurden, ging der Bau von Mietskasernen ungeachtet der Kritik weiter, bis 1914 zu Beginn des Ersten Weltkrieges der Bau von Mietshäusern völlig zum Erliegen kam. Verboten wurde der Bau von Seitenflügeln und Quergebäuden erst mit der Berliner Bauordnung von 1925.
Schluchten und Rattenlöcher
Die Schmähungen rissen jedoch nicht ab. Bruno Taut, herausragender Architekt des modernen Bauens, beklagte 1927 „jenes entsetzliche Gewirr von engen Höfen in Hinter- und Seitenhäusern“ und „jene furchtbaren Schluchten, jene grauenhaften Rattenlöcher“. Taut träumte von einer Radikallösung: „Man wird diese Dinge eines Tages nicht mehr ertragen können und man wird schließlich dazu schreiten, sie niederzureißen.“ In der Weimarer Republik konnte man es sich allerdings nicht leisten, Wohnungen abzureißen.
Nachdem der Krieg weite Teile der Mietskasernenstadt zerstört oder beschädigt hatte und die stehengebliebenen Altbauten weiter vernachlässigt wurden, stand von den 50er Jahren bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts der Komplettabriss und der Bau einer „neuen und schöneren Stadt“ auf der politischen Tagesordnung. Das „Krebsgeschwür Hinterhof“ sollte ausgemerzt werden. An der Brunnenstraße im Wedding, rund um das Kottbusser Tor in Kreuzberg, am Rollberg in Neukölln und in mehreren anderen Stadtteilen wurden mit der Kahlschlagsanierung die Altbauten blockweise vollständig abgerissen oder gesprengt, um an ihrer Stelle freistehende, nüchtern-moderne Wohnhäuser zu bauen, die keine Erinnerung mehr an das Hinterhofgewirr aufkommen ließen.
Symbolträchtig baute man 1953 die moderne Ernst-Reuter-Siedlung direkt neben die Reste des berüchtigten „Meyer’s Hof“. Wer den Kahlschlag kritisierte – wie Wolf Jobst Siedler und Elisabeth Niggemeyer mit ihrem streitbaren Fotoband „Die gemordete Stadt“ von 1964 -, wurde in die ewiggestrige, fortschrittsfeindliche und reaktionäre Ecke gestellt.
Ab 1973 wurde im Charlottenburger Sanierungsgebiet Klausenerplatz erstmals eine ganz andere, die „behutsame“ Stadterneuerung durchgeführt, bei der die Altbauten weitgehend erhalten, instandgesetzt und modernisiert wurden. Das Beispiel fand großen Anklang, weil Städtebauer und Architekten ab Mitte der 70er Jahre die Bedeutung des Stadtbildes wiedererkannten. Die Erhaltung der Hinterhofbebauung wurde dennoch als zu teuer und nicht wünschenswert angesehen. Deshalb ging man zur „Blockentkernung“ über: Die Vorderhäuser blieben zum größten Teil erhalten, um das Straßenbild zu bewahren, im Blockinneren wurden jedoch Seitenflügel, Quergebäude und Remisen vollständig beseitigt. So blieb nach außen hin der schöne Schein gewahrt, die billigen Wohnungen wurden aber zum größten Teil vernichtet. Mit der Internationalen Bauausstellung 1984/87 wurde schließlich die „behutsame Stadterneuerung“ zum Programm: Hinterhöfe wurden nicht mehr von vornherein als städtebaulicher Mangel angesehen, sondern als Potenzial erkannt.
Restlaufzeit für die Mietskaserne
Auch in Ost-Berlin hatte man das „Erbe der kapitalistischen Bodenspekulation“ mit seinen Hinterhöfen zunächst grundsätzlich nicht für erhaltenswert gehalten. Um die Gründerzeitbauten aber noch für eine „Restnutzungsdauer“ von 30 Jahren zu sichern, begann man 1971 mit zwei Modellprojekten: Am Arkonaplatz in Mitte wurden bei der ersten komplexen Modernisierung von Altbauten die Blöcke zum größten Teil entkernt. Es folgte das Quartier am Arnimplatz in Prenzlauer Berg, wo nicht nur die Vorderhäuser, sondern oft auch die ersten Seitenflügel und Quergebäude stehen blieben und saniert wurden. Die dahinterliegenden Bereiche wurden grundstücksübergreifend zu öffentlichen Grünanlagen mit Spielplätzen umgestaltet. Arkonaplatz-Anwohnerin Sara Ackermann weist noch auf einen ganz pragmatischen Vorteil des durchgängigen Blockinnenbereichs hin: „Man kann immer auf der Seite rausgehen, wo man hin will.“ Das Modellprojekt fand großen Zuspruch – auch in der westlichen Fachwelt -, konnte aber wegen fehlender Baukapazitäten nicht auf andere Stadtteile ausgeweitet werden.
Die Höfe benachbarter Häuser zusammenzulegen und über die Grundstücksgrenze hinweg zu gestalten, drängt sich nahezu auf. In aller Regel sind Nachbarhöfe mit hohen Mauern oder Zäunen voneinander getrennt. Wenn man diese wegreißt, kann man zum Beispiel die Mülltonnen beider Häuser auf eine Seite und die Fahrradständer auf die andere Seite stellen, um so Platz für ein Pflanzbeet oder eine Sitzecke zu bekommen. In den Sanierungsgebieten wird die Hofzusammenlegung immer als Ziel formuliert, zu überzeugen sind die Eigentümer davon aber so gut wie nie. Allenfalls wenn zwei benachbarte Grundstücke denselben Besitzer haben, klappt eine übergreifende Gestaltung, ansonsten werden vor allem „versicherungstechnische Gründe“ vorgeschoben.
„Kleinstaaterei“ im Blockinneren
Der Trend geht sogar in die Gegenrichtung. In einer neuen Gartenzaunmentalität wird peinlich genau auf die Abgrenzung des Eigentums Wert gelegt, und grundstücksübergreifende Gestaltungen werden wieder zerstückelt. So wurden rund um den Arnimplatz nach 1990 die Häuser und Grundstücke rückübertragen und verkauft, und zwar jeweils mit dem ursprünglichen Flächenanteil an den Grünanlagen. Nach und nach schnitten die Alt- oder Neueigentümer ihren Anteil heraus und zogen an ihren Grundstücksgrenzen Zäune – manchmal quer über den Spielplatz durch den Buddelkasten.
Auch der Hirschhof im Karree zwischen Kastanienallee, Oderberger und Eberswalder Straße weckte Begehrlichkeiten. Die Grünfläche wurde in den 80er Jahren von unangepassten Anwohnern mühsam erstritten und in Eigenregie auf den hintersten Bereichen dreier Grundstücke angelegt. Der Hirschhof wurde so zu einem herausragenden Symbol für die damalige Oppositionsbewegung im Bezirk Prenzlauer Berg. Nach der Wende wurde allerdings versäumt, ihn formal zu einer öffentlichen Grünfläche zu erklären. Wohnungseigentümer der Häuser in der Kastanienallee forderten ihren alten Grundstücksanteil an der Grünanlage – und bekamen im Jahr 2010 vor dem Verwaltungsgericht Berlin recht. Der Bezirk gibt den Hirschhof jedoch nicht auf: „Die Flächen werden ganz unabhängig von diesem Gerichtsverfahren in bezirkliches Eigentum gebracht“, erklärt Bezirksbürgermeister Matthias Köhne. Die strittigen Flächen werden entweder angekauft oder gegen Entschädigung enteignet. Am Fortbestand des Hirschhofes bestehe kein Zweifel, so Köhne. Er muss nun aber über ein anderes Grundstück erschlossen werden. Der Bau der neuen Zuwegung und die Erweiterung des Hirschhofes zog sich in die Länge. Während der Ur-Hirschhof seit mehr als zwei Jahren nicht mehr öffentlich zugänglich ist, konnte im August immerhin schon einmal die Erweiterung der Grünanlage eröffnet werden.
In gewinnträchtigen innerstädtischen Lagen wie Prenzlauer Berg und Mitte ist ein Trend „zurück zur alten Mietskaserne“ zu beobachten. Selbst da, wo Kriegsschäden oder Abrisse die Baudichte wohltuend aufgelockert haben, werden heute neue Hinterhöfe geschaffen. So bekamen die Mieter des freistehenden Quergebäudes in der Liselotte-Herrmann-Straße 26 von einer Baugruppe ein neues Vorderhaus vor die Nase gesetzt. Die sonnenbeschienene Südseite ist jetzt ein dunkler Hinterhof. „Wir wollen Licht, Luft, Grün. Wir wollen nicht zugebaut werden“, protestierten die Bewohner erfolglos auf einem Transparent. Ähnliches ist an der Straßburger Straße geplant: Der Eigentümer will mit einem Neubau den Blockrand schließen, wobei drei freistehende Zeilenbauten in eine Hinterhofsituation geraten würden. Ganz in der Nähe, in der Kollwitzstraße 42, wurde sogar ein Grundstück, das nie eine rückwärtige Bebauung hatte, mit Seitenflügel und Quergebäude zugebaut. Für die zahlungskräftigen Käufer dieser Wohnungen scheint die verschärfte bauliche Enge kein Problem zu sein. Im 21. Jahrhundert wird hier der Boden genauso maximal ausgenutzt wie zu Kaisers Zeiten.
Durch die Modernisierungswelle der letzten Jahre wurden viele Höfe sogar noch zusätzlich verdunkelt. Die Außenaufzüge, die meist vor den Treppenhäusern aufgestellt sind, nehmen, selbst wenn sie verglast sind, den Wohnungen Licht. Immer öfter werden sogar in engsten Höfen noch Balkone angebaut, die den Wohnwert zwar auf dem Papier erhöhen, die aber für die Mieter kaum zu nutzen sind und die Wohnungen verschatten, wenn tatsächlich mal die Sonne in den Hof scheint.
Die früher ganz deutlich ausgeprägte Status-Rangfolge der Wohnlage gibt es nicht mehr. Wer zum Hof wohnt, ist nicht mehr schlechter gestellt als der Bel-Etage-Bewohner im Vorderhaus. Im Gegenteil: Hinterhaus-Wohnungen erfreuen sich wachsender Beliebtheit, weil sie vom Verkehrslärm der Straße geschützt sind, während Vorderhäuser an lauten Straßen nicht mehr so leicht zu vermieten sind.
Aus für die „Kultur frei Haus“
Auch die sogenannte Kreuzberger Mischung kehrt sich langsam um. Nicht nur in Kreuzberg wurden häufig hinter einem Vorder- und einem Quergebäude noch ein oder mehrere Fabrikgebäude gebaut. Diese Wohn-Gewerbe-Mischung hatte schon immer den Nachteil, dass der Lieferverkehr zum Gewerbehof durch die Wohnhöfe fahren musste. Wo möglich, wurden im Zuge von Sanierungsmaßnahmen gesonderte Erschließungen für die Gewerbehöfe angelegt. In der Gegend um die Warschauer Straße in Friedrichshain scheint sich dieses Problem nun quasi von selbst zu lösen: Die lauten Vorderhauswohnungen, für die man keine hohen Wohnungsmieten verlangen kann, werden zunehmend gewerblich vermietet. In den Hinterhöfen werden dagegen immer mehr Fabrikgebäude in teure Loft-Eigentumswohnungen umgewandelt.
Seit sich ab den 80er Jahren zentrale Klingelanlagen durchsetzten, sind immer mehr Höfe für die Öffentlichkeit verschlossen. Davor wurden die Hoftore allenfalls nachts versperrt. Weil jeder ein- und ausgehen konnte, wurden die Höfe viel mehr als heute als öffentlicher Raum verstanden. Selbstverständlich konnten die Nachbarskinder spontan zum Spielen im Hof vorbeikommen. Ein ganzer Gewerbezweig lebte anno Tobak von den offenen Höfen: Leierkastenmänner und Gaukler zogen durch die Straßen und boten ihre Kunst in den Hinterhöfen dar. In den Zeiten ohne Radio und Grammophon waren die Couplets, Moritaten und Gassenhauer für die Bewohner eine meist willkommene Abwechslung. Die Groschen wurden in Papier gewickelt dem Sänger in den Hof geworfen. 1891 gab es in Berlin über 3000 Drehorgelspieler, 1963 waren nur noch 23. In einigen Hinterhöfen findet man noch heute verblasste Schilder, die das Hausieren und Musizieren ebenso streng untersagen wie das Spielen und das Teppichklopfen außerhalb der festgelegten Zeiten. Heute, wo es kaum noch Häuser mit offenen Toren gibt, hätten Kleinkünstler überhaupt keine Chance mehr.
Jens Sethmann
Prima Klima
Hinterhöfe müssen keine betonierten Verkehrsflächen sein, auf denen die unterschiedlichen Mülltonnen die einzigen Farbakzente setzen. Selbst im kleinsten Hof ist Platz für ein Blumenbeet, Sträucher, Rankpflanzen oder gar Bäume. Begrünte Höfe und Fassaden schaffen ein gutes Klima. Besonders im Sommer, wenn die Hitze in den Hinterhöfen geradezu „steht“, ist die kühlende Wirkung der Pflanzen wohltuend. Dazu können mit versickerungsfähigen Bodenbelägen und Dachbegrünungen Verdunstungsflächen geschaffen werden, die die Luft kühlen, die CO2-Belastung vermindern und das Grundwasser schonen. Eine üppige Vegetation bietet auch Vögeln und Insekten einen innerstädtischen Lebensraum.
Grüne Höfe verbessern nicht nur im ökologischen Sinne das Klima, sondern auch im zwischenmenschlichen. Wenn die Mieter gemeinsam ihren Hof bepflanzen und umgestalten, wächst die Hausgemeinschaft enger zusammen. Unter einem grünen Blätterdach sitzt es sich auch schöner als direkt neben den Mülltonnen.
Die Grüne Liga Berlin unterhält in der Prenzlauer Allee 230 einen Musterhof, der zeigt, was bei einer Hofbegrünung alles möglich und sinnvoll ist. Bei einer kostenlosen Führung und einer Hofberatung kann man sich viele Anregungen holen, wie der Hof nicht nur stadtklimatisch vorbildlich, sondern auch ästhetisch ansprechend umgestaltet werden kann. Sowohl Eigentümer als auch Mieter nehmen die Beratung in Anspruch. „Das hält sich etwa die Waage“, berichtet Karen Thormeyer von der Grünen Liga. Von der Eigentümerseite kommen aber fast nur Gruppen von Wohnungseigentümern, die selbst im Haus wohnen. „Die Leute, die zu uns kommen, sind alle wild entschlossen, etwas zu machen“, sagt Karen Thormeyer. Das Hofbegrünungsprogramm des Senats, mit dem Bewohner bei der ökologischen Umgestaltung ihrer Höfe unterstützt wurden, ist 1996 eingestellt worden. Heute werden die Bürger nur noch in zwei Bezirken gefördert. Pankow richtet einen 100-Höfe-Wettbewerb aus, bei dem in jedem Jahr 3600 Euro vergeben werden. Friedrichshain-Kreuzberg hat ebenfalls einen kleinen Fördertopf für Hofbegrünungen. Darüber hinaus gibt es in Gebieten mit einem Quartiersmanagement noch die Möglichkeit, Gelder für Begrünungsmaßnahmen zu beantragen.
js
Hof-Recht
Der typische Berliner Hof darf von allen Mietern genutzt werden. Kinder dürfen auf den Höfen spielen, auch mit hausfremden Spielkameraden. Die Ruhezeiten sind jedoch immer zu beachten. Oft enthält die Hausordnung Regeln zur Nutzung der Höfe. Fahrräder dürfen im Hof abgestellt werden, wenn es keinen gesonderten Abstellraum gibt und dies nicht ausdrücklich im Mietvertrag ausgeschlossen ist. Ihr Auto dürfen Mieter nur mit Erlaubnis des Vermieters auf dem Hof parken. Die Hausbewohner dürfen dadurch nicht beeinträchtigt werden.
Im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht hat der Hauseigentümer dafür zu sorgen, dass man die Zugänge jederzeit gefahrlos begehen kann. Die Kosten für die Hofreinigung, die Schneebeseitigung und die Pflege von Gartenanlagen zählen zu den Betriebskosten, die auf die Mieter umgelegt werden können. Wenn diese Arbeiten von einem Hausmeister erledigt werden, sind die Pflegekosten in dessen Salär enthalten und dürfen nicht als eigener Posten in der Betriebskostenabrechnung auftauchen.
Wollen Mieter ihren Hof umgestalten, brauchen sie dazu das Einverständnis des Vermieters. Wenn der Eigentümer auf dem Hof einen Kinderspielplatz baut oder Grünflächen anlegt, gilt das als eine Modernisierung, die eine Mieterhöhung rechtfertigt: 11 Prozent der Modernisierungskosten können auf die Jahresmiete umgelegt werden.
Der Zustand des Hofes spielt auch bei Mieterhöhungen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch eine Rolle. Im Berliner Mietspiegel gilt eine „gepflegte Müllstandfläche mit sichtbegrenzender Gestaltung“ als ein wohnwerterhöhendes Merkmal, eine „ungepflegte und offene Müllstandfläche“ hingegen als wohnwertmindernd. Diese Merkmale fließen in die Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete ein, bis zu deren Höhe die Miete steigen kann.
js
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MieterMagazin 9/12
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07.07.2019