Das Zusammenleben in einem Mietshaus funktioniert nicht ohne Rücksichtnahme. Auf der anderen Seite müssen bestimmte Geräusche oder Gerüche hingenommen werden. Wo liegen die Grenzen?
Ein kleiner Rauhaardackel lieferte dem neuen Hausbesitzer den Kündigungsgrund. Der Vermieter, der selber in das Haus eingezogen war, fühlte sich vom Bellen und Jaulen der Hundedame gestört. Nach einer Abmahnung kündigte er. Doch das akribisch geführte Lärmprotokoll des Hauseigentümers überzeugte das Gericht nicht. „Teilweise war mein Hund zu den aufgeführten Zeiten beim Hundesitter, außerdem hat er maximal 20 Sekunden gebellt, eigentlich nur, wenn gerade jemand an der Tür vorbeiging“, beteuert der Besitzer von Lotti. „Wenn wie hier vertraglich nichts zur Tierhaltung vereinbart wurde, gehört sie grundsätzlich zum normalen Wohngebrauch“, erklärt Dr. Jutta Reismann, Rechtsberaterin beim Berliner Mieterverein. Selbstverständlich dürfen die Nachbarn nicht über die Maßen gestört werden. „Die Rechtsprechung hält ein Bellen von 30 Minuten am Tag für hinnehmbar, wobei 10 Minuten am Stück nicht überschritten werden dürfen“, so Reismann. Das war bei Lotti nicht der Fall. Die Kündigung wurde daher zurückgewiesen.
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Der Vermieter darf Haustiere nicht grundsätzlich verbieten. Wer sich Fische, Hamster, Vögel oder andere Kleintiere anschaffen will, braucht dafür nicht die Erlaubnis des Vermieters, ganz gleich was im Mietvertrag oder in der Hausordnung steht. Entsprechende Formularklauseln sind nichtig. Aber auch ein starres Verbot der Hunde- und Katzenhaltung ist nicht zulässig, wie der BGH entschieden hat. Der Vermieter darf nicht willkürlich und schematisch seine Zustimmung verweigern (BGH vom 20. März 2013 – VIII ZR 168/12). Vielmehr muss stets eine umfassende Abwägung der Interessen der Mietvertragsparteien und der Nachbarn erfolgen. Lediglich als Individualvereinbarung ist ein pauschales Verbot von Katzen oder Hunden in der Wohnung wirksam. Ausnahmen gelten aber auch da zum Beispiel für Blindenhunde.
Ob mit oder ohne Vereinbarung, ob Kampfhund oder Schildkröte: Immer dann, wenn es zu Beeinträchtigungen kommt, kann der Vermieter die Tierhaltung untersagen. Allerdings müssen es schon triftige Gründe sein. Gelegentliches Bellen oder Vogelgezwitscher gehört nach Auffassung der Gerichte zur hausüblichen Geräuschkulisse. Das stundenlange Pfeifen eines Papageis oder die Verschmutzung des Treppenhauses durch den Hund muss dagegen nicht hingenommen werden.
Ein anderer Streitpunkt: das Rauchen. Immer mehr Raucher halten die eigene Wohnung qualmfrei und weichen auf Balkon oder Treppenhaus aus – sehr zum Ärger der Nachbarn. „Im Hausflur darf gar nicht geraucht werden“, erklärt BMV-Rechtsexperte Frank Maciejewski. Ebenso wenig darf ein Mieter seine Wohnung in das Treppenhaus lüften. Dies war auch der Dreh- und Angelpunkt bei der Kündigung von Friedhelm Adolfs, eines mittlerweile republikweit bekannten Düsseldorfer Mieters. Nach 40 Jahren wurde ihm die Wohnung gekündigt, weil immer wieder Zigarettenqualm ins Treppenhaus gelangte. Das Landgericht sah darin eine nachhaltige Störung des Hausfriedens und hielt die Kündigung für zulässig. Doch der Bundesgerichtshof wies den Fall zurück. Es sei nicht ausreichend bewiesen, dass der Mieter wirklich bewusst ins Treppenhaus gelüftet habe (BGH vom 18. Februar 2015 – VIII ZR 186/14). Ein Entweichen von Tabakrauch, etwa beim Verlassen der Wohnung, kann nämlich nicht beanstandet werden.
Innerhalb der eigenen vier Wände darf dagegen nach Herzenslust gequalmt werden. Das gehört zum vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung. Auch ein absolutes Rauchverbot auf dem Balkon ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Bei „nicht unwesentlichen Beeinträchtigungen“ können den anderen Hausbewohnern trotzdem Unterlassungsansprüche zustehen, wie der Bundesgerichtshof kürzlich klarstellte. In dem konkreten Fall aus Brandenburg fühlte sich eine Mietpartei durch Tabakrauch vom Balkon unter ihnen gestört. Die Richter mahnten eine ganz praktische Gebrauchsregelung an. Der Raucher darf nur zu bestimmten Zeiten auf dem Balkon rauchen, so dass die andere Partei Zeiträume hat, in denen sie ihren Balkon unbeeinträchtigt von Rauchbelästigungen genießen kann (BGH vom 16. Januar 2015 – V ZR 110/14).
Die Spielregeln gelten grundsätzlich auch für Besucher. Auch sie dürfen nicht im Treppenhaus rauchen. Fehlverhalten, etwa Ruhestörungen oder Beschädigungen, muss sich der Mieter zurechnen lassen. Ihren Hund dürfen Gäste jedoch mitbringen, selbst wenn im Haus ein wirksames Hundehaltungsverbot gilt. Schließlich handelt es sich nur um kurze Aufenthalte (LG Berlin vom 18. Mai 2012 – 63 S 421/11).
Birgit Leiß
Hausordnung: nur gültig mit Unterschrift
Eine Hausordnung muss vereinbart sein. Nachträgliche Änderungen, etwa per Aushang am Schwarzen Brett, sind nicht zulässig. In der Regel ist die Hausordnung Bestandteil des Mietvertrags und als solche für beide Seiten bindend. Das nachträgliche, einseitige Erlassen ist nicht möglich. Wer in ein Haus einzieht, ohne eine Hausordnung unterschrieben zu haben, muss sich daher beispielsweise nicht an die Mittagsruhe halten. Das Lärmschutzgesetz sieht zwar eine Nachtruhe ab 22 Uhr vor, nicht aber eine Mittagsruhe. Manche Hausordnungen enthalten zudem unwirksame Klauseln, an die man sich nicht halten muss (vorher überprüfen lassen!), etwa ein nächtliches Duschverbot.
bl
04.02.2017